Arbeitgeber Kirche: Arbeitsplätze nur für Kirchenmitglieder?

Die Kirchen in Deutschland zählen zu den größten Arbeitgebern des Landes. Neben Pfarrern und Kirchenmusikern arbeiten auch zahlreiche Menschen in sozialen Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeheimen, die von der Kirche betrieben werden. Doch können in diesen Bereichen nur Kirchenmitglieder angestellt werden? Oder haben auch konfessionslose oder andersgläubige Bewerber eine Chance?
Kann die Kirche Arbeitsplätze nur für Kirchenmitglieder zur Verfügung stellen?
In Deutschland genießen Kirchen eine besondere rechtliche Stellung. Das Grundgesetz garantiert ihnen ein Selbstbestimmungsrecht, das sich auch auf ihr Arbeitsrecht erstreckt. Das bedeutet, dass Kirchen ihre eigenen Regeln für den Zugang zu Arbeitsplätzen festlegen dürfen – ein Privileg, das kein anderer Arbeitgeber in dieser Form hat.
In vielen Bereichen verlangen die Kirchen, dass ihre Mitarbeiter Mitglieder der Kirche sind und sich mit den christlichen Werten identifizieren. Dies betrifft in erster Linie pastorale Berufe, wie Pfarrer, Gemeindereferenten oder Kirchenmusiker, Lehrberufe in kirchlichen Schulen oder auch oft leitende Funktionen in kirchlichen Einrichtungen In diesen Berufen ist eine Kirchenmitgliedschaft meist zwingend erforderlich. Doch auch in sozialen Berufen wie in der Pflege oder in Kindergärten kann eine Kirchenzugehörigkeit eine Voraussetzung sein.
Doch aufgepasst, nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) (Az. C.414/16) muss bei einer kirchlichen Stellenausschreibung geprüft werden, ob die Voraussetzung der Religionszugehörigkeit für die Stelle objektiv geboten und für die Wahrung kirchlicher Belange notwendig ist. Konfessionslose Bewerber dürfen daher nicht ohne nachvollziehbaren Grund von einer Stellenausschreibung ausgeschlossen werden.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) (Az 8 AZR 501/14) hatte die evangelische Diakonie wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu einer Entschädigung von rund 4.000 Euro verurteilt. Eine konfessionslose Bewerberin hatte sich bei dem Werk der Evangelischen Kirche auf eine Stelle beworben, bei der schwerpunktmäßig Parallelberichte zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland sowie Stellungnahmen und Fachbeiträge erarbeiten und die Diakonie in verschiedenen Gremien vertreten werden sollte. Das Gericht stellte klar, dass die Art der ausgeschriebenen Tätigkeit keine Religionszugehörigkeit erfordere. Eine Gefahr für das Ethos des kirchlichen Arbeitgebers habe nicht bestanden, da die Bewerberin nicht an internen Meinungsbildungsprozessen beteiligt gewesen wäre und auch nicht unabhängig hätte handeln können. Somit habe die evangelische Diakonie gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen.
Eine Ungleichbehandlung, etwa von Stellenbewerbern, ist für Kirchen und Religionsgemeinschaften nur dann nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zulässig, wenn „eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt."
Darf ein kirchlicher Arbeitgeber wegen Kirchenaustritt kündigen?
Kirchliche Arbeitgeber haben ein besonderes Selbstbestimmungsrecht, das es ihnen erlaubt, von ihren Mitarbeitern eine besondere Loyalität gegenüber den Werten der Kirche zu verlangen. Ein Kirchenaustritt eines Mitarbeiters kann daher als Verstoß gegen diese Loyalitätspflichten gewertet werden.
Ob eine Kündigung nach einem Kirchenaustritt zulässig ist, hängt stark von der Art der Tätigkeit des Mitarbeiters ab. Bei Tätigkeiten mit kirchlichem Verkündigungsauftrag, wie etwa bei einem. Pfarrer oder Religionslehrer, wird eine enge Verbundenheit mit der Kirche erwartet. Ein Kirchenaustritt kann eine Kündigung rechtfertigen.
Bei Tätigkeiten mit weltlichem Charakter, wie zum Beispiel bei einer Pflegekraft oder einem Verwaltungsmitarbeiter, führt ein Kirchenaustritt nicht automatisch zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidend ist, ob die Religionszugehörigkeit für die konkrete Aufgabe erforderlich ist.
Nach der Grundordnung der katholischen Kirche stellt ein Kirchenaustritt einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß dar. Dies berechtigt die katholische Kirche und ihre Einrichtungen Mitarbeiter, die wegen eines Kirchenaustritts gegen ihre arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen haben, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Dies entschied das BAG (Az. 2 AZR 579/12) im Fall eines Sozialpädagogen, der bei der Caritas beschäftigt war und aus der Kirche austrat.
Im Fall einer Mitarbeiterin der evangelischen Diakonie, die nach 26 Dienstjahren aus der evangelischen Kirche austrat und daraufhin von ihrem Arbeitgeber fristlos gekündigt wurde, wurde vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (Az. 12 Sa 1258/17) ein Vergleich erzielt. Das Gericht wies daraufhin, dass dem kirchlichen Arbeitgeber zwar das Recht zu stehe, einen Mitarbeiter nach einem Kirchenaustritt zu kündigen. Aufgrund der langen Beschäftigungsdauer und das ohnehin kurz bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses führten zu einer Entschädigungszahlung der Diakonie.
Das LAG Baden-Württemberg (Az. 4 Sa 27/20) erklärte die fristlose Kündigung eines Kochs in evangelischer KiTa wegen seines Kirchenaustritts als unwirksam. Der Koch hatte nur bei der Essensausgabe Kontakt zu den Kindern. Die Loyalitätserwartungen des kirchlichen Arbeitgebers geht dem Gericht in diesem Fall zu weit.
Scheidung und Wiederverheiratung: Grund zur Kündigung?
Kirchliche Arbeitgeber erwarten von ihren Mitarbeitern, dass sie die Werte der Kirche vertreten und entsprechend leben. Zum Beispiel nach der katholischen Glaubenslehre ist die Ehe ein unauflösliches Sakrament, sodass eine Scheidung und insbesondere eine erneute standesamtliche Heirat als Verstoß gegen kirchliche Grundsätze gewertet werden kann.
Aber auch hier ist für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses entscheidend,ab die Tätigkeit des Arbeitnehmers mit einem kirchlichen Verkündungsauftrag oder ohne religiösen Bezug wahrgenommen wird.
Der EuGH (Az. C-68/17) hat entschieden, dass die Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen seiner Wiederverheiratung nach seiner Ehescheidung wegen Diskriminierung unwirksam sein kann. Ob ein Verstoß gegen seine Loyalitätsobliegenheiten gegenüber seinem kirchlichen Arbeitgeber vorliegt, müsse durch ein staatliches Gericht, hier das Bundesarbeitsgericht, überprüft werden. Bei einem Chefarzt bestehe seine berufliche Tätigkeit in der medizinischen Beratung und Behandlung seiner Patienten, da erscheine die Dokumentation seiner Loyalität zur katholischen Kirche nicht für seine Arbeit zwingend notwendig. Dieser Ansicht schloss sich das BAG (Az.2 AZR 746/14) im Jahr 2019 nach einem jahrelangen Rechtsstreit an und erklärte die Kündigung des Chefarztes für diskriminierend.
erstmals veröffentlicht am 03.05.2018, letzte Aktualisierung am 24.03.2025
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