Mietminderung wegen corona-bedingter Ladenschließung?
Der Einzelhandel hat aufgrund der Corona-Krise mit erheblichen Umsatz- und Auftragseinbrüche zu kämpfen. Die monatlich zu zahlenden Fixkosten, wie Gewerbemiete, müssen aber auch während einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung im Rahmen der Corona-Pandemie bezahlt werden. Doch müssen Gewerberaummieter während eines Lockdowns überhaupt die volle Miete zahlen?
Ist die behördlich angeordnete Ladenschließung im Lockdown ein Mietmangel?
Ladenschließung im Lockdown kein Mietmangel!
Die während des corona-bedingten Lockdowns vom Staat verordneten Schließung von Einzelhandelsgeschäften stellt keinen Mietmangel dar, der eine Mietminderung rechtfertigt.
Dies entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 7 U 109/20) im Fall einer Einzelhandelskette, die im ersten Lockdown 2020 aufgrund der behördlichen Anordnung ihre Filiale schließen musste und daher die vereinbarte monatliche Miete für das Ladenlokal nicht zahlen wollte. Das Gericht führt aus, dass die Mietsache nicht aufgrund der behördlichen Schließung mit einem Mangel behaftet sei, der zu einer Mietminderung berechtigt. Der Zustand der vermieteten Räume sei vertragsgemäß gewesen. Die Richter wiesen darauf hin, dass in solchen Fällen zwar ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betrachte kommen könne, der den Mieter zu einer verminderten Mietzahlung berechtigen kann. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Verpflichtung zur Mietzahlung die wirtschaftliche Existenz des Mieters vernichte oder zumindest sehr stark beeinträchtige und die Interessenslage des Vermieters eine Anpassung der Mietzahlung zu lasse. Die sei im Einzelfall unter Berücksichtigung der Einnahme aus dem Online-Handel, öffentlicher finanzieller Unterstützung, Vermögenswerten und den Einsparungen durch Kurzarbeit zu prüfen. Im konkreten Fall lehnt das Gericht eine verminderte Mietzahlung durch die Einzelhandelskette ab.
So entschied auch das Landgericht Lüneburg (Aktenzeichen 5 O 158/20) im Fall einer Betreiberin eines Bekleidungsgeschäftes, die ihre Mietzahlung für den Monat April 2020 einbehielt, weil sie ihr Geschäft in diesem Zeitraum aufgrund des staatlich angeordneten Lockdowns schließen musste. Das Gericht begründete seine Entscheidung so: Die staatliche Anordnung der Betriebsschließungen erfolgte nicht aufgrund der Beschaffenheit der Mietsache, sondern zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Das Geschäftslokal sei für die Mieterin grundsätzlich als Lagerraum für den Online-Handel oder als Schaufenster nutzbar gewesen, es durfte lediglich nicht mehr von Kunden betreten werden. Zudem trage der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache und nicht der Vermieter.
Ebenso lehnte das Landgericht Frankfurt/Main (Aktenzeichen 2-15 O 23/20) eine Kürzung der Gewerbemiete wegen der corona-bedingten Betriebsschließung ab. Die öffentlich-rechtlichen Verbote oder Einschränkungen begründeten keinen Mietmangel, da sich nicht an die Beschaffenheit des Mietobjekts anknüpfen, sondern an seine Nutzungsart. Diese werde zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung eingeschränkt, da aufgrund von Publikumsverkehr eine höhere Infektionsgefahr gegeben sei. Das Gericht führt weiter aus, dass der Mieterin eines Textilgeschäfts auch kein Anspruch auf eine Vertragsanpassung aufgrund der Corona-Krise zustehe. Es liege keine sog. Störung der Geschäftsgrundlage vor, solange die Mieterin nicht unvorhergesehen in ihrer Existenz bedroht sei. Liquiditätsengpässe reichten dafür nicht aus.
Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2 U 143/20) sieht in der eingeschränkten Nutzung eines Gewerbemietraums während des ersten Lockdowns kein Mietmangel und damit auch kein Recht des Mieters auf Mietminderung.
In diesem Sinne entschieden auch die Landgerichte in Heidelberg (Aktenzeichen 5 O 66/20), Zweibrücken (Aktenzeichen HK O 17/20), Stuttgart (Aktenzeichen 11 O 215/20) und Wiesbaden (Aktenzeichen 9 O 852/20).
Recht zur Kürzung der Miete im Lockdown?
Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen XII ZR 8/21) hat zu der Frage Stellung genommen, ob ein Gewerbemieter während einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung zur Zahlung der vollständigen Miete verpflichtet ist. Das Gericht stellt fest, dass bei einer Lockdown-bedingten Ladenschließung dem Gewerbemieter grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage zusteht. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt etwa dann vor, wenn entgegen der Erwartung der Vertragsparteien grundlegende Änderungen der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschehen. Diese sei hier mit der behördlichen Verfügung zur corona-bedingten Geschäftsschließung geschehen. Allein eine Störung der Geschäftsgrundlage reicht aber für einen Anspruch auf Vertragsanpassung nicht aus. Es muss darüber hinaus für die betroffene Vertragspartei unzumutbar sein am bestehenden Vertrag festzuhalten. Dabei müssen laut Gericht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, so auch die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung. Die wirtschaftlichen Nachteile, die der Gewerbemieter aufgrund der Geschäftsschließung erlitten hat, geht über sein normales Risiko hinaus und sie beruhen nicht auf getroffenen Fehlentscheidungen oder enttäuschten Vorstellungen des Gewerbemieters, so die Bundesrichter. Es handele sich hier um staatliche Maßnahmen, für deren Auswirkungen keine Vertragspartei alleine verantwortlich gemacht werden kann. Aber auch das bedeutet laut Gericht nicht automatisch, dass der Mieter in diesen Fällen immer eine hälftige Anpassung der Miete verlangen kann. Es muss im Einzelfall entschieden werden, welche Nachteile dem Gewerbemiete durch den Lockdown entstanden sind. Aufschluss darüber geben etwa rückläufige Umsatzzahlen des betroffenen Geschäftslokals. Berücksichtigt werden muss dabei auch, welche Maßnahmen der Mieter treffen konnte, um Verluste durch die Schließung des Geschäfts aufzufangen – wie etwa das Umstellen auf einen Online-Handel. Hat der Gewerbemieter finanzielle Vorteile im Rahmen der Geschäftsschließung nutzen können, wie etwa staatliche oder Versicherungs-Leistungen, so müssen diese bei der Abwägung auch Berücksichtigung finden. Aussenvor bleiben hier staatliche Darlehn, weil der Gewerbemieter mit ihnen seinen Umsatzeinbruch nicht kompensiert. Wichtig ist, eine tatsächliche existenzielle Gefährdung des Gewerbemieters ist laut Bundesgerichtshof nicht notwendig.
So entschied auch das Oberlandesgericht Dresden (Aktenzeichen 5 U 1782/20) und sprach einem Textileinzelhändler, der sein Ladenlokal aufgrund der behördlichen Anordnung im ersten Lockdown schließen musste, das Recht zu, seine Miete für den Zeitraum 19. März 2020 bis 19.April 2020 anzupassen. Nach Auffassung des Gerichts ist mit der behördlichen Anordnung der Ladenschließung eine Störung der Geschäftsgrundlage des zugrundeliegenden Mietvertrags eingetreten. Aus diesem Grund sei der Gewerbemieter berechtigt, den vereinbarten Mietzins für den Zeitraum auf die Hälfte der Kaltmiete zu mindern. Da weder der Mieter, noch der Vermieter die Ursache für den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu verantworten haben, sei eine hälftige Belastung beider Mietvertragsparteien gerechtfertigt.
Auch das Kammergericht Berlin (Aktenzeichen 8 U 1099/20) hat entschieden, dass bei einem staatlich angeordneten Lockdown mit Geschäftsschließungen die Gewerbemiete aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Hälfte herabgesetzt werden kann, ohne dass eine Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall festgestellt werden muss.
So urteilte auch das Landgericht Mönchengladbach (Aktenzeichen 12 O 154/20). Wie auch das Landgericht München I (Aktenzeichen 3 O 4495/20) das in der behördlichen Schließung des Ladenlokals zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eine Beschränkung der Mietsache und somit einen Mietmangel anerkennt.
Ebenso entschied das Oberlandesgericht Nürnberg (Aktenzeichen 13 U 3078/20), dass die Pflicht zur Zahlung der Gewerberaummiete während eines pandemiebedingten Lockdowns entfallen kann und das Mietverhältnis auch nicht gekündigt werden darf.
Fehlende Gewinnerzielung – Wer trägt das Risiko?
Ein Gewerbemieter muss auch während einer corona-bedingten Geschäftsschließung weiterhin seine Miete zahlen. Umsatzeinbußen und das Risiko fehlender Gewinnerzielung liegt allein beim Mieter, entschied das Landgericht Frankfurt/Main (Aktenzeichen 2-05 O 160/20). Dem Vermieter stehe trotz der staatlich angeordneten Geschäftsschließung die volle Miete zu. Wenn der Mieter mit seinem Mietobjekt keine Gewinne erzielt, verwirklicht sich ein typisches Risiko, für das der Mieter einstehen muss. Das der Vermieter bei ausbleibender Mietzahlung aufgrund der Corona-Krise dem Gewerbemieter nicht kündigen darf, ändert nichts an der Verpflichtung des Mieters zur Mietzahlung.
Ausbleibende Gewerbemiete im Lockdown – Was tun?
Die Corona-Krise ist ein außergewöhnliches Ereignis, dass viele Gewerbemieter, die ansonsten ihrer Mietzahlungsverpflichtung ordnungsgemäß nachgekommen sind, in finanzielle Engpässe treibt. Im besten Fall ist eine einvernehmliche Lösung zwischen Mieter und Vermieter möglich. Denkbar wäre die Reduzierung oder Stundung der Miete für einen bestimmten Zeitraum oder das Vereinbaren von Ratenzahlungen.
Da das richtige Vorgehen immer nur im Einzelfall beurteilt werden kann, empfiehlt es sich für den Mieter wie auch für den Vermieter den Rat eines Anwalts für Mietrecht einzuholen. So können Rechtspositionen und Ansprüche gesichert werden!
erstmals veröffentlicht am 17.12.2020, letzte Aktualisierung am 26.01.2022
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