Droht die Kündigung bei Beleidigung von Chef und Kollegen?
Wo Menschen zusammenarbeiten, kann es zu Konflikten kommen. Im Eifer des Gefechts rutschen einem Arbeitnehmer auch mal eine Beleidigung oder sogar Drohung gegenüber seinem Arbeitgeber oder Kollegen raus. Muss er jetzt mit einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen? Oder muss sein beleidigendes oder drohendes Verhalten erst vom Chef abgemahnt werden? Was gilt im Job eigentlich als Beleidigung und was müssen Arbeitgeber oder Kollegen sich gefallen lassen?
- Was gilt im Job als Beleidigung?
- Wann liegt eine Drohung gegenüber Arbeitskollegen oder dem Chef vor?
- Darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen beleidigenden Äußerungen kündigen?
- Ist eine fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Beleidigungen auf sozialen Netzwerken möglich?
- Muss vor einer Kündigung wegen Beleidigungen im Arbeitsumfeld erst eine Abmahnung erfolgen?
Was gilt im Job als Beleidigung?
Eine Beleidigung liegt immer dann vor, wenn die Ehre des Arbeitgebers oder eines Beschäftigten durch eine Äußerung oder ein Verhalten angegriffen oder verletzt wurde. Eine Beleidigung kann demnach nicht nur verbal, sondern auch durch Gesten erfolgen, wie etwa der ausgestreckte Mittelfinger.
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Wichtig: Sachlich begründete Kritik muss der Chef immer ertragen. Dies stellt auch das LAG Düsseldorf (Az. 8 Sa 483/19) klar: Übt ein Arbeitnehmer bei einem berechtigten Anlass Kritik gegenüber der Personalabteilung ist laut Gericht das kein Grund zur Kündigung.
Zudem hat der Arbeitnehmer das Recht auf freie Meinungsäußerung. Erst wenn seine Äußerungen oder sein Verhalten die Grenze zur Beleidigung erreicht haben, kann er sich nicht mehr auf die Meinungsfreiheit berufen.
Bei der Beurteilung, ob eine Beleidigung vorliegt, kommt es auch auf die Umstände der Situation, den Bildungsgrad des Arbeitnehmers und den Umgangston der Branche an.
Wann liegt eine Drohung gegenüber Arbeitskollegen oder dem Chef vor?
Eine Drohung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer einen Kollegen oder seinen Chef ein für ihn oder einer ihm nahestehenden Person ein Übel in Aussicht stellt. Im Fall eines Industriemechanikers, der einer Kollegin ein etwa 20 Zentimeter langes Fischfiletiermesser auf der Höhe ihres Halses mit einem Abstand von 10-20 Zentimeter gehalten haben soll und daraufhin gekündigt wurde, hielt das LAG Schleswig-Holstein (Az. 5 Sa 5/23) die Kündigung für unwirksam. Aus dem Sachverhalt ergebe sich nicht, dass der Arbeitnehmer seiner Kollegin vorsätzlich das Messer an den Hals gehalten habe. Es könne auch gewesen sein, "dass der Kläger das Messer schlicht in der rechten Hand haltend sich mit dem Oberkörper zur Mitarbeiterin gedreht hat und bei dieser Drehbewegung dessen rechte Hand mit dem Messer nahe an deren Hals gelangt ist" – so das Gericht. Allein ein unsachgemäßer Umgang mit einem Messer stelle nach keinen Kündigungsgrund dar.
Darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen beleidigenden Äußerungen kündigen?
Mit groben Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber oder Kollegen verstößt der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsrechtliche Treuepflicht. Dies kann zu einer Abmahnung oder auch fristlosen Kündigung führen.
Erklärt zum Beispiel ein Beschäftigter gegenüber seinem Arbeitgeber in einer öffentlichen Sitzung „er lüge wie gedruckt, wie er mit Menschen umgehe, da komme er – der Mitarbeiter -sich vor wie im Dritten Reich“, ist nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) (Az. AZ 3 Sa 243/10) eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer vergleicht betriebliche Abläufe mit den Verbrechen des Nationalsozialismus. Diese Äußerung stellt eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers dar, die auch nicht mehr vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Laut Gericht muss das Grundrecht der Meinungsfreiheit immer dann zurücktreten, wenn eine Äußerung eine Schmähung, Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde darstellt.
Beleidigt ein Beschäftigter seinen Arbeitgeber auf einer Weihnachtsfeier als „Arschloch“ oder „Wichser“ muss er nach einer Entscheidung des LAG Hamm (Az. 18 Sa 836/04) ebenfalls mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Das Gericht sah in den Äußerungen des Arbeitnehmers eine erhebliche Ehrverletzung, die nicht durch sein Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist.
Wird der Arbeitnehmer aber vom Arbeitgeber zu einer Beleidigung provoziert, dann darf der Arbeitgeber ihm nicht kündigen.
Ist eine fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Beleidigungen auf sozialen Netzwerken möglich?
Wer sich in sozialen Netzwerken beleidigend über seinen Arbeitgeber oder seine Kollegen äußert, riskiert ebenfalls eine fristlose Kündigung.
Ein Arbeitnehmer bezeichnete seine Arbeitskollegen auf seiner Facebookseite unter anderem als „Speckrollen“ und „Klugscheißer“. Daraufhin erhielt er vom Arbeitgeber die fristlose Kündigung. Diese wurde zwar aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall für unwirksam erklärt, aber das Arbeitsgericht (ArbG) Duisburg (Az. 5 Ca 949/12) verwies aber ausdrücklich darauf, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Kollegen eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Einträge auf sozialen Netzwerken können laut ArbG Duisburg nicht mit einer wörtlichen Äußerung unter Kollegen gleichgestellt werden. Sie greifen viel nachhaltig in die Rechte der Betroffenen ein, da der Eintrag, solange er nicht gelöscht wird, immer wieder nachgelesen werden kann. Für das Arbeitsgericht war es dabei unerheblich, ob der Eintrag nur für die sogenannten Freunde und Freundesfreunde auf Facebook sichtbar war, oder unter der Einstellung „öffentlich“ allen Facebook-Nutzern zugänglich war. Unstreitig waren eine Vielzahl von Arbeitskollegen Facebook-Freunde des Klägers und hatten den Eintrag gelesen.
Im Fall eines Auszubildenden, der auf seiner Facebookseite seinen Arbeitgeber als „Menschenschinder und Ausbeuter" beschimpft hatte, erhielt ebenfalls die fristlose Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses. Zu Recht empfand das LAG Hamm (Az. 3 Sa 644/12). Die Äußerungen seien eine Beleidigung des Arbeitgebers. Der Auszubildende habe annehmen können, dass diese Äußerungen Auswirkungen auf sein Ausbildungsverhältnis haben werden. Die beleidigenden Äußerungen waren einer Vielzahl von Personen zugänglich. Dass es sich hier um ein Ausbildungsverhältnis handelt, stünden der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nicht entgegen, so das Gericht.
Das BAG (Az. 2 AZR 17/23) hält auch Beleidigungen des Chefs oder von Kollegen in einer privaten Chatgruppe als ausreichend für eine fristlose Kündigung. Im zu entscheidenden Fall hat sich ein Arbeitnehmer in einer privaten WhatsApp-Gruppe mit sieben befreundeten Mitgliedern in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen geäußert. Als der Vorgesetze hiervon erfuhr, kündigte er dem Arbeitnehmer fristlos. Ob seine Kündigung rechtmäßig ist, hängt laut BAG davon ab, ob die Chatgruppenmitglieder berechtigterweise eine Vertraulichkeitserwartung haben durften. Diese ist laut Gericht abhängig von der Größe der Chatgruppe sowie des geteilten Inhalts im Chat. Äußert sich ein Chatgruppenmitglied derart beleidigend, muss es darlegen warum es trotzdem davon ausgehen konnte, dass diese Äußerungen nicht weitergetragen werden.
Muss vor einer Kündigung wegen Beleidigungen im Arbeitsumfeld erst eine Abmahnung erfolgen?
Vor einer fristlosen Kündigung wegen einer Beleidigung muss zuerst eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erfolgt sein. Dies entschied das LAG Köln (Az.11 Sa 905/13) und stellt klar, dass eine Abmahnung bei einer Beleidung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit das zunächst angemessenere Mittel sei, um das Verhalten des Arbeitnehmers zu sanktionieren.
In diesem Sinne entschied auch das LAG Schleswig-Holstein (Az. 2 Sa 460/08) und auch das Hessische LAG (Az. 5 Sa 1117/11). Das LAG Rheinland-Pfalz (Az. 2 Sa 232/11) hält eine vorherige Abmahnung dann für notwendig, wenn zu erwarten sei, dass der Arbeitnehmer zukünftig sein Verhalten ändern werde.
Das ArbG Duisburg (Az. 5 Ca 949/12) urteilte hingegen, dass bei einer groben Beleidigung des Arbeitgebers oder Kollegen eine fristlose Kündigung wirksam ausgesprochen werden kann, ohne das Verhalten des Arbeitnehmers zuvor abzumahnen.
erstmals veröffentlicht am 11.02.2013, letzte Aktualisierung am 12.02.2024
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