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Kategorie: Anwalt Reiserecht ,
04.10.2024 (Lesedauer ca. 6 Minuten, 120 mal gelesen)
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Flugverspätung: Diese Ansprüche können Passagiere geltend machen!

Flugverspätung: Diese Ansprüche können Passagiere geltend machen! © Frank Eckgold - Fotolia

Flugverspätungen sind für Fluggäste ärgerlich und nicht selten mit Stress verbunden, weil Anschlussflüge nicht erreicht werden oder Termine nicht eingehalten werden können. Die EU-Fluggastrechteverordnung räumt Fluggästen bei Flugverspätungen Ansprüche auf Unterstützung, Betreuung und Entschädigung ein. Doch welche Betreuung und Unterstützung können Fluggäste bei Flugverspätungen konkret verlangen? Wie viel Entschädigung steht ihnen zu? In welchen Fällen muss die Fluggesellschaft bei Verspätungen nicht zahlen? Und wie können Fluggäste ihre Rechte schnell und effektiv durchsetzen?

Wann haben Fluggäste bei Flugverspätungen Ansprüche gegen die Airline ?


Bei verspäteten oder ausgefallenen Flügen steht den Flugreisenden grundsätzlich aufgrund der EU-Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 ein Entschädigungsanspruch zu, wenn sie eine Flugbestätigung vorlegen können, es sich um einen EU-Flug handelt, dieser mehr als drei Stunden Verspätung hatte und kein außergewöhnlicher Umstand für die Flugverspätung ursächlich war.

Flugverspätung wegen Nachtflugverbot


Kann ein Flug nicht pünktlich wegen eines Nachtflugverbots starten, ist die Fluggesellschaft verpflichtet den Fluggästen eine Entschädigung zu zahlen, entschied das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main (Az. 32 C 5554/19 (69)).

Flugverspätung wegen Streik


Ein von einer Gewerkschaft der Airline-Arbeitnehmer veranstalteter Streik, um Gehaltserhöhungen durchzusetzen, stellt laut EuGH (Az. C-28/20) hingegen keinen außergewöhnlichen Umstand dar, der die Fluggesellschaft von Ausgleichszahlungen bei Verspätungen befreit.

Streikt das Kabinenpersonal einer Fluglinie aus Solidarität mit den Beschäftigten der Muttergesellschaft, sieht der EuGH (Az. C-613/20) hierin ebenfalls keinen außergewöhnlichen Umstand, der die Airline von der Ausgleichszahlung an ihre Fluggäste wegen einer Flugannullierung befreit.

Auch ein sog. wilder Streik des Flugpersonals stellt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Europäischen Fluggastrechteverordnung dar und entbindet die Fluggesellschaft nicht von Entschädigungszahlungen, entschied der EuGH (Az. C-195/17), wenn Umstrukturierungen angekündigt wurden und mit Konflikten mit dem Flugpersonal gerechnet werden musste. Auch im Fall eines angekündigten Pilotenstreiks haben Passagiere einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung, entschied ein luxemburgisches Gericht.

In einer weiteren Entscheidung stellt der EuGH (Az. C-28/20) klar, dass Reisende bei jedem rechtmäßigen Streik der Airline-Mitarbeiter einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben, wenn es durch den Streik zu einer Annullierung oder Verspätung des Flugs kommt. Wenn durch den Streik Gehaltserhöhungen oder bessere Arbeitszeiten durchgesetzt werden sollen, stellt das einen Teil der Tätigkeit der Fluggesellschaft dar. Für Kunden bedeutet dies einen Anspruch auf Entschädigung.

Streicht eine Fluggesellschaft einen Flug, weil an der Passagierkontrolle am Startflughafen gestreikt wird, haben Passagiere einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen, so der BGH (Az. X ZR 111/17).

Flugverspätung wegen randalierenden Passagieren


Kann ein Flug nicht angetreten werden, weil Flugreisende im Flugzeug randalieren, stellt das keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung dar. Die betroffene Fluggesellschaft ist nicht verpflichtet an die übrigen Fluggäste Entschädigungen zu zahlen. Dies entschied der EuGH (Az. C-74/19). Begründung: Das störende Verhalten der Passagiere sei kein Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft und für sie grundsätzlich nicht beherrschbar.

In welchen Fällen können Passagiere bei Flugverspätungen keine Ansprüche geltend machen?


Eine Fluggesellschaft muss aber keine Entschädigung an die Flugreisenden zahlen, wenn es sich bei dem Grund für die Verspätung um einen außergewöhnlichen Umstand handelt, der für sie nicht beherrschbar war und sie alles Zumutbare unternommen hat, um die Flugverspätung oder den Flugausfall zu vermeiden. Dies ist etwa der Fall bei einem Terroranschlag oder einer Naturkatastrophe. Ob ein außergewöhnlicher Umstand für die Verspätung ursächlich war, muss letztlich oft von den Gerichten entschieden werden.

Flugverspätung wegen Hindernissen auf der Startbahn


Kommt es zu Flugverspätungen, weil sich Treibstoff auf der Startbahn eines Flughafens befindet und dieser deshalb geschlossen werden muss, ist dies ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der EU- Fluggastrechteverordnung, der nicht von der Airline zu vertreten ist und sie daher von der Entschädigungspflicht wegen einer Flugverspätung befreit, entschied der EuGH (Az. C 159/18).

Eine Schraube auf der Landebahn, die ein Flugzeug beschädigt, ist auch ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der EU- Fluggastrechteverordnung, so der EuGH (Az. C-501/17). Kommt es deshalb zu einer Flugverspätung ist die betroffene Fluggesellschaft nicht zu Ausgleichszahlungen verpflichtet, wenn sie alles ihr Mögliche getan hat, um die Flugverspätung zu begrenzen.

Flugverspätung wegen Systemausfall am Terminal


Kommt es zu einer erheblichen Flugverspätung, weil die Computersysteme am Abflugterminal über mehrere Stunden ausfallen, ist dies ein Umstand, den die Fluggesellschaft nicht zu vertreten hat, entschied der BGH (Az. X ZR 15/18, X ZR 85/18). Zuständig sei hier der Flughafenbetreiber, der für einen funktionierenden technischen Betrieb Sorge tragen muss.

Flugverspätung wegen Ausfall des SITA-Systems


Fällt das SITA-System über mehrere Stunden aus und kommt es deshalb zu einer Flugverspätung, kann sich die Airline auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, der sie von Ausgleichszahlungen befreit, so das AG Erding (Az. 116 C 1839/22).

Flugverspätung wegen Turbinenschaden durch Vogelschlag


Verspätet sich ein Flug aufgrund eines durch Vogelschlag verursachten Turbinenschadens, liegt hier ein außergewöhnlicher Umstand nach der EU-Fluggastrechteverordnung vor. Die Airline muss in diesem Fall keine Entschädigungszahlungen leisten, so der BGH (Az. X ZR 160/12).

Zubringerflug verspätet sich


Ein Passagier kann von einer Fluggesellschaft keine Ausgleichzahlungen nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung verlangen, wenn er aufgrund eines verspäteten Zubringerflugs seinen Anschlussflug verpasst hat, entschied der BGH (Az. Xa ZR 113/08).

Welche Unterstützung und Betreuung können Fluggäste bei Flugverspätungen verlangen?


Bei Flugverspätungen haben Fluggäste das Recht auf Unterstützung und Betreuung, die je nach Länge der Verspätung und Flugstrecke variert.

Zwei Stunden Verspätung: Anspruch auf Verpflegung


Bei einer zweistündigen Verspätung eines Fluges haben Fluggäste eines Kurzstreckenfluges bis zu 1.500 km einen Anspruch auf Verpflegung und zwei kostenlose Telefonate. Nach einer Entscheidung des AG Düsseldorf (Az. 27 C 257/18) müssen auch die Kosten für Champagner und Dessertwein von der Fluggesellschaft im Rahmen einer Ausgleichzahlung übernommen werden.
Anders entschied das AG Hannover (Az. 513 C 8538/22) wonach alkoholische Getränke, hier Aperol Spritz, keine Erfrischung im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung darstellen.

Drei und mehr Stunden Verspätung: Finanzielle Entschädigung und mehr


Verspätet sich ein Mittelstreckenflug (1.500 bis 3.000 km) um mehr als drei Stunden, muss die Airline ihren Gästen eine Entschädigung zahlen. Flugreisende haben zur finanziellen Entschädigung zusätzlich einen Anspruch auf eine alternative Beförderung zum Reiseziel und möglicherweise auf einen kostenlosen Rücktransport. Muss der Fluggast über Nacht am Flughafen bleiben, kann er ein Hotelzimmer und einen kostenlosen Transfer dorthin beanspruchen.

Bei Langstreckenflügen von über 3.500 km haben Passagiere bei einer Verspätung von mehr als 4 Stunden einen Anspruch auf umfassendere Betreuungsleistungen, darunter Mahlzeiten, Erfrischungen und gegebenenfalls eine Hotelunterkunft sowie den Transfer zum und vom Hotel, falls erforderlich.

Wenn die Verspätung mehr als 5 Stunden beträgt, haben Fluggäste das Recht auf eine Erstattung des Flugpreises für den nicht genutzten Flugabschnitt und gegebenenfalls für bereits zurückgelegte Flugabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan sinnlos geworden ist.
Sie haben das Recht auf einen Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt, falls der Flug nicht mehr benötigt wird, sowie auf eine alternative Beförderung zum Zielort unter vergleichbaren Bedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

Wieviel Entschädigung erhalten Fluggäste bei einer Flugverspätung?


Verspätet sich ein Flug mehr als drei Stunden, muss die Airline ihren Gästen eine Entschädigung zahlen, es sei denn, die Verspätung wurde durch außergewöhnliche Umstände verursacht, die außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft liegen.

Bei Flügen innerhalb der EU erhalten Flugreisende bei einer Flugdistanz von bis 1.500 Kilometern 250 Euro, bei mehr als 1.500 Kilometern 400 Euro Entschädigung. Wer von einem europäischen Flughafen in ein nicht europäisches Land fliegt, erhält bei bis 1.500 Kilometern 250 Euro Entschädigung, bei bis zu 3.000 Kilometern 400 Euro Entschädigung und bei mehr als 3.500 Kilometern 600 Euro Entschädigung. Dabei ist es unerheblich, welchen Betrag der Fluggast für den Flug gezahlt hat.

Die Entschädigung halbiert sich, wenn die Airline dem Passagier einen Ersatzflug anbietet, mit dem er sein Reiseziel innerhalb einer bestimmten Frist erreicht. Doppelt abkassieren geht nicht, entschied der BGH (Az. X ZR 128/18, X ZR 165/18): Hat der Flugreisende von der Airline eine Entschädigung nach Maßgabe der Fluggastrechteverordnung erhalten, muss er sich diese gegenüber dem Reiseveranstalter anrechnen lassen.

Wie können Fluggäste bei einer Flugverspätung ihre Ansprüche geltend machen?


Passagiere müssen bei einer Flugverspätung ihre Ansprüche direkt bei der Fluggesellschaft geltend machen. Es empfiehlt sich einen Anwalt zu kontaktieren, der die Passagiere bei der Durchsetzung ihrer Rechte schnell und effektiv unterstützen kann.

Nach einer Entscheidung des BGH (Az. X ZR 97/19) gehören auch die Kosten für die außergerichtliche Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Europäischen FluggastrechteVO zu den Kosten, die eine Airline erstatten muss. Im zu entscheidenden Fall hatte die Airline ihren Fluggästen keine schriftlichen Informationen über ihre Rechte als Flugreisender ausgehändigt, wozu sie gesetzlich verpflichtet war. Laut Gericht muss der Fluggast diese Informationen nicht von der Airline anfordern, sondern sie müssen ihm unaufgefordert zugänglich gemacht werden. Nur so könne er seine Rechte selbst und ohne die Hilfe eines Anwalts durchsetzen. Fehlt es dem Flugreisenden an diesen Informationen darf er die Hilfe eines Anwalts auf Kosten der Airline in Anspruch nehmen. Etwas anderes gilt laut Bundesgerichtshof nur dann, wenn der Fluggast seine Rechte auch ohne entsprechende Informationen kennt.


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