Musterfeststellungsklagen im Diesel-Skandal
Im sog. Diesel-Skandal erhalten rund 260.000 betroffene VW-Besitzer aufgrund der Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes gegen den VW-Konzern eine Entschädigungszahlung. Nun hat der Bundesgerichtshof im Abgasskandal entschieden, dass den betroffenen VW-Besitzern grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz zu steht. Hat das Urteil Folgen für den im Musterfeststellungsverfahren geschlossenen Vergleich? Was bedeutet es für Beteiligte, die den Vergleich nicht angenommen haben? Und können betroffenen VW-Besitzer jetzt noch erfolgreich klagen?
- Musterfeststellungsklage gegen den VW-Konzern
- Diesel-Skandal: So hat der Bundegerichtshof entschieden
- Was bedeutet das Urteil für andere Prozesse im Diesel-Skandal?
- Hat das Urteil Auswirkungen auf den Vergleich der Musterfeststellungsklage?
- Können vom Dieselskandal betroffene VW-Käufer jetzt noch klagen?
Musterfeststellungsklage gegen den VW-Konzern
Rund 470.000 Autofahrer hatten sich einer Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands in Kooperation mit dem ADAC gegen die Volkswagen AG wegen Software-Manipulation angeschlossen. Die Musterfeststellungsklage umfasste die Marken Volkswagen, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189.
Die Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht Braunschweig gestalteten sich schwierig. Letztlich wurde ein Vergleich erzielt, wonach rund 260.000 Diesel-Skandal-Geschädigte im März ein Entschädigungsangebot vom VW-Konzern erhielten. Der Vergleich galt nur für die Teilnehmer der Musterfeststellungsklage, die darauf verzichten weitere Ansprüche gegen VW zu erheben. Ob das Fahrzeug noch im Besitz des Geschädigten ist, war unerheblich. Es reichte ein Foto der Zulassungsbescheinigung oder des Kaufvertrages.
Konkret wurde jedem Geschädigten eine Entschädigung von durchschnittlich rund 15 Prozent seines Kaufpreises angeboten. Die Entschädigungssumme errechnete sich aus dem Fahrzeugmodell und dem Modelljahr.
Betroffene, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen hatten, konnten sich bis zum 30.4.2020 entscheiden, ob sie den Vergleich annehmen oder ablehnen.
Am 30.4.2020 zog der Verbraucherzentrale Bundesverband die Musterfeststellungsklage, wie im Vergleich vereinbart, zurück. Die Musterfeststellungsklage gegen VW endet damit. Rund 27.000 Teilnehmer der Musterfeststellungsklage haben den Vergleich nicht angenommen. Die Kosten des Verfahrens, inklusive der Kosten der Erstberatung in Höhe von 190 Euro, trägt der VW-Konzern.
VW-Besitzer, die den Vergleich angenommen haben, sollen spätestens 14 Tage nach Ende der Widerrufsfrist ihre Entschädigung von VW erhalten.
Diesel-Skandal: So hat der Bundegerichtshof entschieden
Am 5.5.2020 wurde der VW-Dieselskandal erstmals vor dem Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 252/19) verhandelt. Geklagt hatte ein Frührentner, der Anfang 2014 einen gebrauchten VW-Sharan kauft, bei dem sich später herausstellte, dass bei diesem eine illegale Abgasabschalteinrichtung eingebaut war. Schon zu Prozessauftakt stellte der Vorsitzende Richter klar, dass er einer Reihe von Argumenten des VW-Konzerns nicht folgen kann, bzw. sie in Frage stellt. Auch beim Europäischen Gerichtshof stellt die Generalanwältin in einem Gutachten fest, dass sie die von VW verwendeten Abschalteinrichtungen für unzulässig hält.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass VW Autokäufern von manipulierten Dieselfahrzeugen den Kaufpreis nebst Zinsen zurückerstatten und das Fahrzeug zurücknehmen muss. VW habe zur Gewinnmaximierung das Kraftfahrt-Bundesamt im Hinblick auf die Abgastechnik über lange Jahre hinweg bewusst arglistig getäuscht. Die Arglosigkeit der Autokäufer sei gezielt ausgenutzt worden. Allerdings müssen sich die betroffenen VW-Besitzer eine Nutzungspauschale für die bereits gefahrenen Kilometer von der Erstattung anrechnen lassen.
Was bedeutet das Urteil für andere Prozesse im Diesel-Skandal?
In Deutschland sind derzeit noch rund 60.000 Prozess im Diesel-Skandal bei den Gerichten anhängig. Die Gerichte werden sich an der vom Bundesgerichtshof getroffenen verbraucherfreundlichen Entscheidung orientieren. VW hat den Klägern nach dem Urteil eine Einmalzahlung angeboten, verbunden mit dem Verzicht auf Rücknahme des Autos.
Hat das Urteil Auswirkungen auf den Vergleich der Musterfeststellungsklage?
Das BGH-Urteil hat keine Auswirkungen auf den im Rahmen des Musterfeststellungsfahrens geschlossenen Vergleich. Mit der Annahme des Vergleichs haben die Teilnehmer der Musterfeststellungsklage auf weitere Rechtsmittel verzichtet. Das gilt auch, wenn die Erstattungssumme aus dem Vergleich niedriger ausfällt, als die Entschädigungszahlung aufgrund des BGH-Urteils.
Können vom Dieselskandal betroffene VW-Käufer jetzt noch klagen?
Grundsätzlich haben Autokäufer beim Neuwagenkauf vom Händler eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren, bei Gebrauchtwagen von einem Jahr. Gegenüber dem Autokonzern gilt nach dem BGH-Urteil eine Gewährleistungsfrist von drei Jahren, da es sich um eine arglistige Täuschung handelt.
Laut einem Urteil des Landgerichts Duisburg (Aktenzeichen 4 O 165/19) beginnt die Verjährungsfrist erst dann zu laufen, wenn eine Einschätzung der Rechtslage möglich ist, somit mit dem ersten Urteil des Bundesgerichtshofs. Demzufolge können alle betroffenen VW-Käufer jetzt noch Klage einreichen. Andere Gerichte können das anders beurteilen und von einer Verjährung ausgehen, da schon im Jahr 2016 ein Schreiben von VW an die betroffenen Autokäufer geschickt wurde.
In jedem Fall sollten sich betroffene Autokäufer von einem Anwalt beraten lassen, wie die Erfolgsaussichten für eine Klage im Einzelfall zu bewerten sind.
erstmals veröffentlicht am 10.03.2020, letzte Aktualisierung am 26.05.2020
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