Diesel-Abgasskandal: So urteilen die Gerichte zum Schadensersatz
Der Skandal um Abgasmanipulationen bei Dieselfahrzeugen betrifft allein in Deutschland mehrere Millionen Autobesitzer. Mittlerweile sind zahlreiche Urteile zum Schadensersatz für Käufer von manipulierten Diesel-Fahrzeugen ergangen. Der Bundesgerichtshof hat sich auch zur Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen im Diesel-Skandal geäußert und der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung klargestellt, dass Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen verboten sind.
- EuGH: Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen nicht erlaubt!
- Schadensersatz für Käufer von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen
- Nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals: Käufer gehen leer aus
- Kein Schadensersatz für Vielfahrer
- Geschädigte Dieselfahrer erhalten keine Deliktzinsen
- Schadensersatz auch nach Software-Update
- Kein Schadensersatz für geschädigte VW-Dieselkäufer wegen Verjährung
- Diesel-Abgasskandal: Der Hintergrund
EuGH: Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen nicht erlaubt!
Hersteller von Dieselfahrzeugen dürfen keine Abschalteinrichtung einbauen, die systematisch die Kontrollleistung der Fahrzeug-Emissionen verbessert, um eine Zulassung zu erreichen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (Aktenzeichen C-693/18) im Fall von älteren VW-Dieselfahrzeugen in Frankreich entschieden, bei denen illegale Abschalteinrichtungen festgestellt wurden. Das Gericht hat weiterhin klargestellt, dass der Einwand der Automobilbranche, eine solche Abschalteinrichtung würde den Verschleiß oder Verschmutzungen am Motor verhindern, irrelevant ist.
Schadensersatz für Käufer von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen
Der VW-Dieselabgasskandal wurde Anfang Mai 2020 erstmals vor dem Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 252/19) verhandelt. Geklagt hatte ein Autobesitzer, der einen gebrauchten VW-Diesel mit EA189-Motor im Jahr 2014 – also vor Bekanntwerden des Dieselabgasskandals – erworben hatte, bei dem sich später der Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung zeigte.
Der Bundesgerichtshof traf eine verbraucherfreundliche Entscheidung und verurteilte den Autohersteller VW zur Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen sowie zur Rücknahme des Autos. Nach Ansicht des Gerichts wurde das Kraftfahrt-Bundesamt durch den Autohersteller über Jahre hinweg im Hinblick auf die Abgaswerte gezielt arglistig getäuscht. VW habe damit auch die Arglosigkeit der Autokäufer bewusst ausgenutzt. Die Bundesrichter stellten aber auch klar, dass betroffene VW-Dieselbesitzer sich die bereits gefahrenen Kilometer bei der Berechnung des Schadensersatzes anrechnen lassen müssen.
Nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals: Käufer gehen leer aus
Autokäufer, die nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals (Stichtag 22.9.2015) ein gebrauchtes Fahrzeug mit illegaler Abschalteinrichtung erworben haben, haben nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen VI ZR 5/20) keinen Anspruch auf Schadensersatz.
Eine Ad-hoc-Mitteilung des VW-Konzerns am 22. September 2015 zur Manipulation an Diesel-Motoren sowie die ausführliche Berichterstattung des Themas in den Medien, führten bei Verbrauchern laut Gericht zumindest dazu Verdacht zu schöpfen und bei einem Kauf nicht mehr arglos zu sein. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Autokäufer kann VW damit nicht mehr vorgeworfen werden.
Kein Schadensersatz für Vielfahrer
Diesel-Abgasskandalbetroffene Vielfahrer können trotz Schadensanspruch leer ausgehen, entschied der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 354/19). Die Anrechnung ihrer Nutzungsvorteile kann den Schadensersatzanspruch unter Umständen vollständig aufzehren. Der Wert der Nutzungsvorteile kann dabei wie folgt berechnet werden: Bruttokaufpreis mal gefahrene Strecke seit Erwerb geteilt durch erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt. Die Laufleistung eines Autos wird im konkreten Fall von den Instanzgerichten entschieden. Sie wird meist zwischen 250.000 und 300.000 Kilometer angesetzt.
Geschädigte Dieselfahrer erhalten keine Deliktzinsen
Nachdem einige Oberlandesgerichte geschädigten Diesel-Besitzern auch eine Zahlung von Deliktzinsen zugesprochen hatten, stellt der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 354/19) klar, dass die Betroffenen keine Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises ab Kaufpreiszahlung verlangen können. Sie haben nur einen Anspruch auf die Kaufpreiserstattung abzüglich der Nutzungsvorteile.
Schadensersatz auch nach Software-Update
Dem Käufer eines Dieselfahrzeugs mit einer illegalen Abschalteinrichtung steht auch dann ein Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn er das vom Autohersteller entwickelte Software-Update durchgeführt hat. Dies stellt der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 367/19) in einer Entscheidung fest. Liegt der Schaden in einem sittenwidrig herbeigeführten Vertragsabschluss, bei dem das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Autokäufers verletzt wurde, ändert sich am Schaden nichts, wenn der Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändert wird.
Kein Schadensersatz für geschädigte VW-Dieselkäufer wegen Verjährung
Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 739/20) hat die Schadensersatzklage eines geschädigten VW-Dieselkäufers wegen Verjährung abgewiesen. Der Käufer hatte im Jahr 2015 erfahren, dass sein Auto vom sog. Dieselskandal betroffen ist, aber erst 2019 eine Klage auf Schadensersatz gegen den Hersteller angestrengt. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass für den Beginn der Verjährungsfrist von drei Jahren die erforderliche Kenntnis des Geschädigten von den Umständen notwendig ist, die seinen Anspruch auf Schadensersatz begründen und ihm eine Klage zumutbar und risikolos möglich ist. Diese Voraussetzungen seien im Jahr 2015 bei dem geschädigten VW-Dieselfahrer erfüllt gewesen, so dass sein Anspruch im Jahr 2019 verjährt ist und nicht mehr gerichtlich verfolgt werden kann.
Diesel-Abgasskandal: Der Hintergrund
Im September 2015 wurden Abgas-Manipulationen durch unzulässigen Abschalteinrichtung zur Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes an Dieselfahrzeugen durch die Volkswagen AG in der Öffentlichkeit bekannt. Das amerikanische Unternehmen „International Council on Clean Transportation“ (ICCT) führte in Zusammenarbeit mit der West-Virginia-University Tests an deutschen VW-Diesel-Fahrzeugen durch. Diese zeigten, dass der VW-Diesel-Motor durch eine Motorsteuerungssoftware im Testbetrieb die gesetzlichen US-Grenzwert für Stickoxid einhielt, aber im Normalbetrieb durch das Abschalten der Abgasanlage ein stark erhöhtes Stickoxid ausstieß.
Die VW AG gab gegenüber der amerikanischen Umweltbehörde (EPA) relativ schnell die Manipulation an der Diesel-Abgaseinrichtung zu. In den USA sind von der Diesel-Abgasaffäre rund eine halbe Million VW-Fahrzeuge betroffen, in Deutschland sind es 2,8 Millionen.
Die Manipulation der Abgaseinrichtungen bei Dieselfahrzeugen funktionierte bei der VW AG durch den Einbau einer Motorsoftware, die während einer Testphase die Motorsteuerung so verändert, dass das Fahrzeug im Testmodus weniger Abgase ausstößt, als im Normalbetrieb auf der Straße.
Auch bei den Autoherstellern Porsche und Daimler wurden später Abgasmanipulationen an Dieselmotoren festgestellt. Bei Daimler wurde etwa bei Dieselfahrzeugen die Abgasanlage mit vermindertem Stickoxid-Ausstoß in einem Temperaturbereich von 10 bis 17 Grad Celsius durch eine Motorsteuerungssoftware automatisch ausgeschaltet. Man spricht hier auch von einem Thermofenster, dass nach Ansicht der Autohersteller legal ist, wenn damit Motorschäden verhindert werden.
Betroffene Dieselfahrzeug-Besitzer sehen sich durch die teilweise illegalen Abgasmanipulationen einem erheblichen Wertverlust ihrer Fahrzeuge ausgesetzt. In unzähligen Gerichtsverfahren machen sie daher Ansprüche auf Gewährleistung und Schadensersatz gegenüber den Autoherstellern geltend.
erstmals veröffentlicht am 14.08.2020, letzte Aktualisierung am 19.01.2021
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