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Kategorie: Anwalt Familienrecht ,
29.03.2024 (Lesedauer ca. 8 Minuten, 3840 mal gelesen)
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Kindergeld: Was man zu Antrag, Höhe und Dauer wissen muss!

Kind sammelt Münzen in einem Marmeladeglas Kind sammelt Münzen in einem Marmeladeglas © freepik - mko

Familien werden vom Staat durch die Zahlung von Kindergeld unterstützt, um die Grundversorgung von Kindern in Deutschland sicher zu stellen. Doch wer kann Kindergeld beziehen? Wieviel Kindergeld steht einer Familie zu? Wie und wo muss man Kindergeld beantragen? Was tun, wenn der Antrag auf Kindergeld abgelehnt wurde? Und wer hat nach einer Trennung oder Scheidung Anspruch auf Kindergeld?

Habe ich einen Anspruch auf Kindergeld?


Anders als beim Kindesunterhalt steht der Anspruch auf Kindergeld den Eltern und nicht dem Kind zu.

In Ausnahmefällen, wenn etwa das Kind Vollwaise ist oder den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht kennt, kann es selbst Kindergeld beziehen. Hat das Kind aber öfters mal telefonischen Kontakt mit seiner im Ausland lebenden Mutter und diese daher nach ihrem Aufenthaltsort fragen kann, besteht für das Kind kein eigener Kindergeldanspruch , so das Bundessozialgericht (BSG) (Az. B 10 KG 1/22 R).

Ansonsten sind kindergeldberechtigt die Eltern oder Erziehungsberechtigten, wie Pflegeeltern, Stiefeltern oder Großeltern, so das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz (Az. 2 K 1851/18). Sie müssen einen Wohnsitz in Deutschland haben oder hier steuerpflichtig sein. Kindergeld wird unabhängig vom Einkommen an alle Familien gezahlt. Der Anspruch auf Kindergeld entsteht mit der Geburt des Kindes bis mindestens zum 18. Lebensjahr.

Wie viel Kindergeld steht mir zu?


Seit dem 1.1.2021 beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und jedes weitere Kind jeweils 250 Euro im Monat.

Ab 1. Januar 2023 erhalten Eltern für jedes Kind 250 Euro im Monat.

Der Kinderfreibetrag wurde im Sommer 2022 rückwirkend zum 1. Januar 2022 von 8.388 Euro auf 8.548 Euro im Jahr angehoben.

Zum 1. Januar 2023 steigt der Kinderfreibetrag auf jährlich 8.688 Euro.

Wie bekomme ich Kindergeld?


Kindergeld ist keine staatliche Leistung, die automatisch erfolgt. Es muss schriftlich bei der zuständigen Familienkasse beantragt werden. Diese ist in der Regel bei der zuständigen Agentur für Arbeit ansässig.

Der Antrag auf Kindergeld kann formlos per E-Mail erfolgen. Es muss dafür kein amtliches Formular benutzt werden, so das FG Rheinland-Pfalz (Az. 5 K 1714/20). Er kann aber auch auf der Homepage der Familienkasse online gestellt werden. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel vier bis sechs Wochen. Rückwirkend wird Kindergeld nur über einen Zeitraum von sechs Monaten ausgezahlt.

Für den Antrag auf Kindergeld benötigt man bei erwachsenen Kindern eine Schulbescheinigung, Studienbescheinigung oder Ausbildungsbescheinigung. Bei Kindern mit Behinderung muss dem Antrag eine Kopie des Schwerbehindertenausweises hinzugefügt werden oder ein Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes. Für Kinder, die sich in einem Freiwilligendienst befinden, ist eine entsprechende Bescheinigung des Trägers notwendig.

Was tun, wenn mein Antrag auf Kindergeld abgelehnt wurde?


Wurde der Antrag auf Kindergeld von der Familienkasse abgelehnt, kann der Antragsteller innerhalb eines Monats Einspruch gegen diese Entscheidung einlegen. Der Einspruch kann schriftlich oder persönlich bei der Familienkasse eingelegt werden. Der Antrag auf Kindergeld wird dann erneut geprüft. Sollte er wieder negativ ausfallen, kann innerhalb eines Monats Klage beim zuständigen Finanzgericht erhoben werden.

Wichtig zu wissen: Während das behördliche Verfahren für den Antragsteller kostenfrei ist, fallen beim Klageverfahren Kosten an.

Beauftragt ein Antragsteller während des behördlichen Verfahrens einen Rechtsanwalt, bleibt er auf seinen Rechtsverfolgungskosten sitzen, wenn er aufgrund fehlender Nachweise selbst für den ablehnenden Bescheid verantwortlich ist, entschied das FG Rheinland-Pfalz (Az. 6 K 1816/15). Die Familienkasse muss keine unnötigen Rechtsverfolgungskosten zahlen.

Wer erhält Kindergeld nach einer Trennung und Scheidung?


Trennen sich Eltern und zieht ein Elternteil mit dem gemeinsamen Kind aus, erhält nur das Elternteil Kindergeld, in dessen Haushalt das Kind lebt. Der andere Elternteil hat keinen Anspruch auf Kindergeld, auch nicht, wenn die Familie aufgrund eines Versöhnungsversuchs vor der endgültigen Trennung kurzzeitig wieder zusammenzieht.

Dies entschied der BFH (Az. III R 11/15). Er verwies darauf, dass von diesem Grundsatz nur beim sog. Wechselmodell eine Ausnahme gemacht werden könne. Beim Wechselmodell hat das Kind keinen überwiegenden Lebensmittelpunkt bei Vater oder Mutter, sondern wechselt in bestimmten Abständen den Haushalt. Hier müssen die Eltern gemeinsam entscheiden, wer Kindergeld beziehen darf. Gelingt dies nicht, muss dies gerichtlich geklärt werden.

Wichtig: Bei getrenntlebenden Eltern erhält derjenige Kindergeld, der am Anfang des Monats kindergeldberechtigt war. Wechselt die Kindergeldberechtigung im laufenden Monat ändert dies nichts, so der BFH (Az. III R 5/23).

Kindergeld- so entscheiden die Gerichte im Einzelfall


Kindergeld auch für volljährige Kinder?


Volljährige Kinder haben nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie sich in der Ausbildung befinden, sich laut Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg (Az. 6 K 6346/10) ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen oder sich arbeitssuchend gemeldet haben.
Für Kinder in der Ausbildung endet der Bezug von Kindergeld spätestens mit dem 25. Lebensjahr oder wenn die Ausbildung beendet ist. Das Ende der Ausbildung ist mit dem Ende des Ausbildungsvertrags erreicht, entschied das FG Baden-Württemberg (Az. 7 K 407/16). Der Zeitpunkt der Abschlussprüfung und die Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse sei dabei nicht entscheidend. Eine Berufsausbildung sei dann beendet, wenn das Kind aufgrund seines Ausbildungsstands seinen Beruf ausüben kann.
Für arbeitslose Kinder kann nur bis zum 21. Lebensjahr Kindergeld bezogen werden.

Kindergeld auch bei wegen Krankheit abgebrochener Ausbildung?


Kein Kindergeld erhalten Eltern für ein erkranktes Kind, dass einen Ausbildungsplatz sucht, aber das Ende seiner Erkrankung nicht absehbar ist, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) (Az. III R 49/18).

Kindergeld wird auch nicht mehr bezahlt, wenn das Kind aufgrund einer Erkrankung seine Ausbildung nicht nur unterbrochen, sondern beendet hat, entschied der BFH (Aktenzeichen III R 41/19). Ist die Krankheit des Kindes vorübergehend, das heißt nicht länger als sechs Monate, und zeigt das Kind nachweislich Interesse an einer Ausbildung, kann es als ausbildungsplatzsuchendes Kind berücksichtigt werden.

In einer weiteren Entscheidung stellt das BFH (Az. III R 43/20) klar, dass bei einem krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung kein Kindergeld mehr gezahlt werden muss, möglicherweise aber ein Kindergeldanspruch aufgrund einer Behinderung des Kindes bestehen kann.

Anspruch auf Kindergeld auch für berufstätige Kinder?


Nein, entschied das FG Rheinland-Pfalz (Az. 5 K 2131/12) im Fall eines Kindes, das nach seiner Erstausbildung in Vollzeit erwerbstätig ist und dabei berufsbegleitend studiert.

Auch bei einer berufsbegleitenden Weiterbildung neben einer vollen Erwerbstätigkeit gibt es kein Kindergeld, entschied der BFH (Az. III R 26/18). Für einen Anspruch auf Kindergeld muss die Berufsausbildung die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes sein.

Anspruch auf Kindergeld bei Berufstätigkeit neben Ausbildung?


Steht die Berufstätigkeit bei einem Kind, dass ein berufsbegleitendes Studium absolviert, im Vordergrund, scheidet der Anspruch auf Kindergeld aus, so der BFH (Az. III R 26/18).

Anspruch auf Kindergeld bei einem dualen Studium?


Eltern können Kindergeld für ein Kind, das während eines dualen Studiums einen Abschluss in einer studienintegrierten praktischen Ausbildung erlangt, auch noch bis zum nachfolgenden Bachelorabschluss im gewählten Studiengang geltend machen. Das entschied der BFH (Az. III R 52/13) und stellte klar, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob es sich um eine Erst-, Zweit- oder Drittausbildung handelt. Der Kindergeldanspruch entfalle nur, wenn das Kind nach seiner Erstausbildung neben einer weiteren Ausbildung regelmäßig mehr als 20 Stunden pro Woche arbeitet.

Ein duales Studium ist als Erstausbildung, bzw. Erststudium anzusehen. Die Erwerbstätigkeit des Kindes ist daher für einen Anspruch auf Kindergeld unschädlich, entschied auch das FG Münster (Az. 2 K 2949/12 Kg).

Kindergeld bei einem Freiwilligendienst zwischen Bachelor- und Masterstudium?


Der Bundesfinanzhof (Az. III R 10/22) hat letztinstanzlich entschieden, dass Eltern eines Kindes, das eine Ausbildung aus mehreren Abschnitten absolviert (Bachelor- und Masterstudium) nur dann einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitt in einem engen sachlichen und zeitlichen Rahmen absolviert werden. Wichtig ist, dass das Kind seinen nächsten Ausbildungsabschnitt zum nächst möglichen Termin fortsetzt. Macht das Kind zwischen Bachelor- und Masterstudium einen Freiwilligendienst, ist damit die Erstausbildung abgeschlossen. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht dann nur noch, wenn das Kind nicht mehr als 20 Stunden pro Woche einer erwerbstätigen Beschäftigung nachgeht.

Kindergeld bis zur Referendarzeit?


Kindergeld für den Zeitraum nach dem ersten Staatsexamen bis zum Beginn der Referendarzeit kann beansprucht werden, wenn sich der Eintritt in den Referendardienst wegen hoher Bewerberzahlen verzögert. Das hat das FG Koblenz (Az. 1 K 2123/06) entschieden.

Anspruch auf Kindergeld während der Vorbereitung zur Facharzt-Qualifikation?


Kein Kindergeld erhalten Eltern, wenn sich ihr Kind im Rahmen eines Dienstverhältnisses zur Vorbereitung auf die Erlangung der Facharzt-Qualifikation dient, entschied das BFH (Az. III R 40/21).

Kindergeld während eines freiwilligen Wehrdienstes?


Eltern eines Kindes, das sich einem freiwilligen Wehrdienst unterzieht, können unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Kindergeld haben. Dies entschied der BFH (Az. III R 53/13). Voraussetzung ist, dass das Kind im Zusammenhang mit dem freiwilligen Wehrdienst eine Ausbildung für einen militärischen oder zivilen Beruf macht.

Anspruch auf Kindergeld auch während Au-Pair-Aufenthalt im Ausland?


Eltern erhalten für ein Kind, das einen Au-Pair-Aufenthalt im Ausland verbringt, nur dann Kindergeld, wenn das Kind durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden an einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht teilnimmt, so der BFH (Az. III R 58/08).

Kindergeld bei Besuch einer islamischen Mädchenschule?


Nein, entschied das FG Baden-Württemberg (Az. 2 K 2760/11). Der Schwerpunkt der Schule liege nicht in der Vermittlung von Wissen mit dem Ziel eines entsprechenden Abschlusses, sondern nur in der Vermittlung von Glaubensinhalten des Isalms.

Kindergeld auch nach Heirat des Kindes?


Nach Ansicht des BFH (Az. III R 22/13) geht der Anspruch auf Kindergeld nicht deshalb verloren, weil das Kind verheiratet ist. Es müsse keine „typische Unterhaltssituation“ im Bezug auf die Eltern vorliegen und seit Anfang 2012 gebe es auch keinen Grenzbetrag bei den Einkünften des Kindes mehr. Wenn ansonsten alle Anspruchsvoraussetzungen für Kindergeld vorliegen, steht laut Bundesfinanzhof eine Verheiratung des Kindes dem Bezug von Kindergeld nicht entgegen.

Kindergeld bei Inhaftierung des Kindes?


Muss eine Berufsausbildung unterbrochen werden, weil das Kind inhaftiert wurde, entfällt der Kindergeldanspruch, entschied das FG Baden-Württemberg (Az. 2 K 5243/09). Eine Unterbrechung wegen einer Haftstrafe ist laut Gericht nicht mit einer Unterbrechung wegen Krankheit vergleichbar.

Wie lange erhalten Eltern eines behinderten Kindes Kindergeld?


Ist ein Kind aufgrund einer Behinderung außer Stande für sich selbst zu sorgen, können Eltern unabhängig vom Alter des Kindes einen Anspruch auf Kindergeld haben.

Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor dem Eintritt des 25. Lebensjahres beim Kind eingetreten ist und dass das Kind aufgrund der Behinderung nicht genügend finanzielle Mittel hat, um seinen persönlichen Lebensbedarf selbst bestreiten zu können. Dabei reicht es laut BFH (Az. III R 105/07) aus, dass die Behinderung mitursächlich dafür ist, dass das Kind seinen Lebensunterhalt nicht selbst tragen kann. Die Behinderung muss nicht die alleinige Ursache dafür darstellen.

Der notwendige Lebensbedarf setzt sich zusammen aus den Kosten des normalen Lebensbedarfs plus den finanziellen Belastungen aufgrund der Behinderung. Zu den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln gehören etwa das Pflegegeld, Fahrtkostenzuschüsse, das verfügbare Nettoeinkommen sowie sonstige Einkünfte, etwa aus Kapitalvermögen. Für den Nachweis der Behinderung reicht in der Regel ein Schwerbehindertenausweis oder Pflegegeldbescheid, ein Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes oder ein ärztliches Gutachten, so das FG Rheinland-Pfalz (Az. 2 K 1851/18).

Nach einem Urteil des BFH (Az. III R 44/17) begründet ein Gendefekt eines volljährigen behinderten Kindes dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind vor Erreichen der Altersgrenze in seinen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als ein halbes Jahr vom alterstypischen Zustand abweicht und damit am gesellschaftlichen Leben nur eingeschränkt teilhaben kann.

Vorsicht: Doppelter Bezug von Kindergeld kann Steuerhinterziehung sein!


Das FG Rheinland-Pfalz hat in einer Entscheidung (Az. 4 K 1507/09) klargestellt, dass der doppelte Bezug von Kindergeld als Steuerhinterziehung bewertet werden kann. Der zu viel gezahlte Betrag kann in diesem Fall im Rahmen einer verlängerten Verjährungsfrist auf zehn Jahre zurückgefordert werden.

erstmals veröffentlicht am 26.05.2015, letzte Aktualisierung am 29.03.2024

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