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Kategorie: Anwalt Familienrecht ,
15.02.2024 (Lesedauer ca. 4 Minuten, 4539 mal gelesen)
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Umgangsrecht: Wie funktioniert das Wechselmodell?

Umgangsrecht: Wie funktioniert das Wechselmodell? © freepik - mko

Eine Woche Mama, eine Woche Papa – das sog. Wechselmodell im Umgangsrecht bietet getrenntlebenden Eltern die Möglichkeit gleich viel Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Doch wie funktioniert das Wechselmodell genau? Was spricht für und was spricht gegen diese Umgangsregelung? Kann das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils durchgesetzt werden? Wer muss Unterhalt beim Wechselmodell zahlen? Und wem steht beim Wechselmodell Kindergeld zu?

Was versteht man im Umgangsrecht unter Wechselmodell?


Trennen sich Eltern, stellt sich die Frage, wer für die minderjährigen Kinder sorgt. Lange Zeit war es die Regel, dass ein Kind schwerpunktmäßig bei einem Elternteil lebt und dem anderen Elternteil eine begrenzte Umgangszeit, etwa am Wochenende, zu stand. In diesen Fällen spricht man vom Residenzmodell.

Seit ein paar Jahren ist eine neue Betreuungsform, das sog. Wechselmodell, dazu gekommen. Hier teilen sich die Eltern die Betreuung der gemeinsamen Kinder hälftig auf. Das bedeutet, dass die Kinder in regelmäßigen zeitlichen Abständen zwischen den Elternwohnungen wechseln. Dabei gibt es keine Vorgaben zur Aufteilung der Betreuungszeiten.

Welche Gründe sprechen für und welche gegen das Wechselmodell?


Eltern sollten sich zum Wohl ihrer Kinder genau überlegen, welche Betreuungsform die geeignetste für die Familie ist. Für das Wechselmodell gibt es gute Gründe, aber es kann auch einiges dagegen sprechen.

Ein Vorteil des Wechselmodells ist, dass die Kinder nach wie vor ungefähr gleich viel Zeit mit ihren Eltern verbringen und damit zu jedem Elternteil eine stabile Beziehung aufbauen können. Für die Eltern bedeutet das Wechselmodell die Möglichkeit überhaupt maßgeblich an der Erziehung des Kindes teilzunehmen sowie auch eine Entlastung.

Gegen das Wechselmodell spricht in erster Linie, dass es ein hohes Maß an Konfliktpotential in sich birgt. Die Eltern müssen sich bei einer zeitlich annähernd gleichwertigen elterlichen Betreuung ständig über Erziehungsfragen abstimmen – was eine besondere Toleranz und eine belastbare Kommunikationsbasis der Eltern erfordert. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Az. 21 UF 153/21) wie auch das OLG Brandenburg (Az. 10 UF 2/17) stellen in einer Entscheidung klar, dass das Wechselmodell nur dann funktioniert und dem Kindeswohl dient, wenn die Eltern gut miteinander kooperieren und kommunizieren können. Unterschiedliche Erziehungsstile sprechen laut OLG Stuttgart (Az.18 UF 104/17) hingegen nicht gegen diese Betreuungsform.

Gegen das Wechselmodell kann auch sprechen, dass für Kinder der ständige Ortswechsel bedeuten kann, dass sie sich nirgendwo richtig zu Hause fühlen.

In jedem Fall sollte die Umgangsregelung dem Wohl und dem Willen des Kindes entsprechen. Spricht das Kind sich gegen einen Wechsel vom gut funktionierenden Residenzmodell zum Wechselmodell aus, ist dem Folge zu leisten, stellt das OLG Frankfurt/Main (Az. 3 UF 144/20) in einem Urteil klar.

Müssen Eltern die Umgangsregelung „Wechselmodell“ beantragen?


Entscheiden sich Eltern oder ein Elternteil für die Betreuungsform „Wechselmodell“ müssen sie einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Familiengericht stellen. Das Familiengericht kann dann die hälftige Betreuung des Kindes durch beide Eltern als Umgangsregelung anordnen kann.

Kann das Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden?


Bei unseren europäischen Nachbarn Belgien und Schweden ist das Wechselmodell der Regelfall und kann auch gegen den Willen der Eltern angeordnet werden.

Auch in Deutschland kann das Wechselmodell nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) (Az. XII ZB 601/15) gegen den Willen eines Elternteils vom Familiengericht angeordnet werden. Maßgebend ist für die Familiengerichte bei der Auswahl Residenzmodell oder Wechselmodell immer das Wohl des Kindes und nicht die Wünsche und Erwartungen der Eltern.

Kann die Betreuungsform „Wechselmodell“ nochmal gewechselt werden?


Haben sich getrenntlebende Eltern auf das Wechselmodell geeinigt und läuft diese Betreuungsform gut, kann sie nur aus wichtigen Gründen, die das Kindeswohl betreffen, nochmal geändert werden. Dies stellt das Kammergericht (KG) Berlin (Az. 13 UF 74/18) klar.

Wer muss Unterhalt beim Wechselmodell zahlen?


Beim Residenzmodell ist der Elternteil, bei dem das Kind nicht ständig lebt, zu hundert Prozent barunterhaltspflichtig. Da beim Wechselmodell bei keinem Elternteil der Schwerpunkt der Betreuung liegt, müssen beide für den Unterhalt des Kindes anteilig aufkommen.
Nach einer Entscheidung des KG Berlin (Az. 13 UF 89/16) liegt allerdings bei einem Betreuungsverhältnis von 45 zu 55 Prozent kein echtes Wechselmodell vor, bei dem die Eltern je nach Quote Kindesunterhalt leisten müssen.

Gut zu wissen: Eltern haben bei der Geltendmachung von Unterhalt beim Wechselmodell ein Wahlrecht, ob sie einen Antrag auf Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis oder Bestellung eines Ergänzungspflegers stellen. Dieses Wahlrecht steht nur den Eltern und nicht dem Familiengericht zu, so das Schleswig-Holsteinisches OLG (Az. 8 UF 161/23).

Wie berechnet sich der Kindesunterhalt beim Wechselmodell?


Beim Wechselmodell reichtet sich der Unterhaltsbedarf laut BGH (Az. XII ZB 599/13) nach dem Einkommen und Vermögen beider Elternteile. Dafür werden die bereinigten Nettoeinkünfte beider Eltern, unter Beachtung der durch das Wechselmodell entstandenen Mehrkosten, addiert und wie beim Residenzmodell nach der Düsseldorfer Tabelle ermittelt.

Welches Elternteil hat beim Wechselmodell Anspruch auf Kindergeld?


Auch beim Wechselmodell wird das Kindergeld nur an ein Elternteil ausgezahlt. Fraglich ist aber, welcher Anteil dem anderen Elternteil zu steht.

Laut BGH (Az. XII ZB 45/15) dient die Hälfte des Kindergeldes dazu den Barunterhaltsbedarf zu decken, die andere Hälfte ist als finanzieller Ausgleich für tatsächlich erbrachte Betreuungsleistungen gedacht. Beim Wechselmodell betreuen aber beide Eltern das Kind. Aus diesem Grund muss die Hälfte des Kindergeldes, das auf den Betreuungsunterhalt entfällt, zwischen den Eltern aufgeteilt werden.

Nach einer Entscheidung des OLG Celle (Az. 19 UF 24/18) bekommt beim Wechselmodell das Elternteil das Kindergeld, welches sicherstellen kann, dass das Kindergeld zum Wohl des Kindes verwendet wird.

erstmals veröffentlicht am 02.06.2021, letzte Aktualisierung am 15.02.2024

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