Was müssen Arbeitnehmer jetzt bei Krankheit beachten?
Atmungs-, Muskel-Sklett- oder psychische Erkrankungen sind die häufigsten Ursachen warum Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkranken. Doch was müssen Arbeitnehmer im Krankheitsfall unbedingt beachten? Kann man sich telefonisch vom Arzt krankschrieben lassen? Wie viel Tage darf man ohne Krankschreibung am Arbeitsplatz fehlen? Womit müssen Arbeitnehmer rechnen, die eine Erkrankung nur vortäuschen? Darf man trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weiterarbeiten? Oder in Urlaub fahren? Und wie lange erhalten Arbeitnehmer im Krankheitsfall weiter Lohn?
- Wie verhalte ich mich im Krankheitsfall richtig?
- Wann brauche ich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt?
- Kann ich mich auch telefonisch vom Arzt krankschreiben lassen?
- Was hat sich aufgrund der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geändert?
- Was passiert, wenn ich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beibringe?
- Womit muss ich bei einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit rechnen?
- Beweist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung meine Erkrankung?
- Wie lange erhalte ich bei Krankheit weiter Lohn?
- Wann erhalte ich Krankengeld?
- Darf oder muss ich trotz Krankschreibung weiter arbeiten?
- Darf ich trotz Arbeitsunfähigkeit in Urlaub fahren?
Wie verhalte ich mich im Krankheitsfall richtig?
Arbeitnehmer haben im Krankheitsfalle die arbeitsrechtliche Pflicht ihren Arbeitgeber umgehend über ihre Erkrankung und die voraussichtliche Dauer der Erkrankung zu informieren. Dies kann per Telefon, SMS oder E-Mail geschehen. Ist ein Arbeitnehmer selbst nicht mehr in der Lage den Arbeitgeber über seine Erkrankung zu unterrichten, muss er dies etwa durch Angehörige erledigen lassen.
Wann brauche ich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt?
Wann der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vom Arzt vorlegen muss, ist oft im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt. Wenn dies nicht der Fall ist, springt das Entgeltfortzahlungsgesetz ein, wonach eine Krankschreibung nach drei Krankheitstagen vom Arbeitgeber verlangt werden kann.
Aufgepasst: Der Arbeitgeber hat aber das Recht vom Arbeitnehmer im Krankheitsfall schon vom ersten Tag der Krankheit an eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) mit der voraussichtlichen Dauer der Erkrankung zu verlangen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) (Az. 5 AZR 886/11) entschieden. Begründung: Es steht im Ermessen des Arbeitgebers, wann er die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangt. Er kann dies bereits ohne Begründung am ersten Tag der Erkrankung des Arbeitnehmers tun. Dafür ist es nicht notwendig, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit eine Krankheit vorgetäuscht hat.
Kann ich mich auch telefonisch vom Arzt krankschreiben lassen?
Die Möglichkeit sich telefonisch vom Arzt krankschreiben zu lassen gab es während der Corona-Pandemie und gibt es nun auch seit Anfang Dezember 2023 wieder. Anders als während der Corona-Pandemie kann die telefonische Krankschreibung nicht nur bei Atemwegserkrankungen, sondern bei allen Krankheiten ohne schwere Symptome erfolgen. Voraussetzung ist, das der erkrankte Arbeitnehmer in der Arztpraxis Patient – bzw. bekannt – ist. Die telefonische Krankschreibung kann für maximal 5 Kalendertage erfolgen.
Was hat sich aufgrund der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geändert?
Am 1.1.2023 wurde für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingeführt. Damit entfällt für den Arbeitnehmer die Pflicht seinem Chef eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen. Der Arbeitgeber erhält die Daten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung direkt elektronisch von der Krankenkasse. Diese teilt dem Arbeitgeber auch mit wie lange die Erkrankung voraussichtlich besteht und ob es sich um eine erneute Arbeitsunfähigkeit handelt. Für den Arbeitnehmer gibt es nach wie vor die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für seine Unterlagen in Papierform.
Wichtig: Mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfällt für den Arbeitnehmer nicht die Pflicht den Arbeitgeber umgehend von seiner Erkrankung zu informieren!
Was passiert, wenn ich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beibringe?
Wer trotz Aufforderung keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beibringt, riskiert eine Abmahnung und im wiederholten Fall sogar eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (Az. 10 Sa 593/11).
Womit muss ich bei einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit rechnen?
Täuscht ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nur vor, riskiert er die fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat in diesem Fall keinen Beweiswert mehr. Dies entschied das Hessische LAG (Az. 6 Sa 1593/08) im Fall eines Arbeitnehmers, der sich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen ließ und gleichzeitig Schwarzarbeit anbot. Als dies aufflog, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Zu Recht, weil der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsleistung vorenthielt, so die hessischen Richter.
Beweist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung meine Erkrankung?
Eine ordnungsgemäß vom Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist in der Regel vor Gericht ausreichend, um einen Krankheitsfall zu beweisen.
Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird aber laut BAG (Az. 5 AZR 149/21) erheblich erschüttert, wenn ein Arbeitnehmer genau am Tag seiner Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben wird und die voraussichtliche Erkrankung bis zum Ende seiner Kündigungsfrist prognostiziert wird. Das Bundesarbeitsgericht lehnte die Klage auf Entgeltfortzahlung ab.
Auch in einer jüngeren Entscheidung wird laut BAG (Az. 5 AZR 137/23) der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch eine verdächtigte Krankschreibung nach einer Kündigung erschüttert. Auch hier hatte sich der Arbeitnehmer nach dem Erhalt seiner Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist krankschreiben lassen. Das Gericht zweifelte die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in diesem Fall an.
Wie lange erhalte ich bei Krankheit weiter Lohn?
Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer, der länger als vier Wochen beschäftigt ist, erhält von seinem Arbeitgeber eine Lohnfortzahlung bis zu sechs Wochen– soweit per Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung keine günstigere Regelung für den Arbeitnehmer getroffen wurde.
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung kann entfallen, wenn die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer selbst verschuldet wurde. Das ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es suchtbedingt, auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie, regelmäßig an einem solchen Verschulden, entschied das BAG (Az. 10 AZR 99/14).
Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt und der Arbeitnehmer aufgrund dieser Erkrankung erneut nicht arbeitsfähig ist. Dies entschied das BAG (Az. 5 AZR 505/18) und stellt klar, dass ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann entsteht, wenn die erste Erkrankung zum Zeitpunkt der neuen Erkrankung beendet war.
Wann erhalte ich Krankengeld?
Ab einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen zahlt die Krankenkasse Krankengeld an den erkrankten Arbeitnehmer. Krankengeld kann maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren bezogen werden. Der erkrankte Arbeitnehmer muss seiner Krankenkasse rechtzeitige eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen.
Aufgepasst: Wer seiner Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu spät einreicht, verliert seinen Anspruch auf Krankengeld. Dies entschied das Sozialgericht (SG) Detmold (Az. S 3 KR 824/16) im Fall einer Arbeitnehmerin, die ihre AU erst nach vier Wochen bei ihrer Krankenkasse vorlegte.
Wichtig ist für den fortlaufenden Bezug von Krankengeld, dass der Arbeitnehmer vor Ablauf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, ansonsten kann die Zahlung von Krankgeld unterbrochen werden, so das SG Stuttgart (Az. S 19 KR 2728/11) und das SG Detmold (Az. S 5 KR 518/12 und S 3 KR 824/16). Erfolgt eine verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aber aufgrund eines Bürofehlers beim behandelnden Arzt, kann das nicht zu Lasten des Arbeitsnehmers gehen. Der Anspruch auf Krankengeld geht nicht verloren, so das SG München (Az. S 7 KR 1719/19). Auch das Landessozialgericht Darmstadt (Az. L 1 KR 125/20, L 1 KR 179/20) stellt klar, dass Krankengeld weitergezahlt werden muss, wenn die verspätete Vorlage der AU darauf beruht, dass der Arbeitnehmer aufgrund eines Organisationsverschuldens des Arztes einen neuen späteren Termin wahrnehmen muss. Nach Auffassung des SG Detmold (Az. S 5 KR 266/17) darf der Arbeitnehmer sich auf die rechtzeitige Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt an die Krankenkasse verlassen.
Steht in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein voraussichtliches Ende der Erkrankung des Arbeitnehmers, sondern bescheinigt der Arzt eine AU bis auf weiteres, kann die Krankenkasse nicht davon ausgehen, dass der Wiedervorstellungstermin beim Arzt das Ende der Erkrankung darstellt. Sie ist weiterhin zur Zahlung des Krankengelds verpflichtet, entschied das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz (Az. L 5 KR 254/14).
Wichtig: Der Erhalt von Krankengeld hängt nicht von einem ausgefüllten Krankenschein ab, stellt das SG Leipzig (Az. S 22 KR 75/16) klar. Im zugrundeliegenden Fall hatte der behandelnde Klinikarzt die Arbeitsunfähigkeit zwar festgestellt und diese der Krankenkasse mitgeteilt, dazu aber nicht das Formular Krankenschein verwendet. Das war auch nicht erforderlich, so die Leipziger Richter. Zudem müsse der Arzt auch nicht zwingend eine Kassenzulassung haben.
Darf oder muss ich trotz Krankschreibung weiter arbeiten?
Es ist gesetzlich nicht verboten, trotz ärztlichem Attest weiterhin zur Arbeit zu gehen, solange der Arbeitnehmer dies freiwillig tut. Auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer kranken- und unfallversichert. Verlangt der Arbeitgeber allerdings, dass der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seine Arbeit wieder aufnimmt, verstößt er gegen seine Fürsorgepflicht und macht sich unter Umständen schadensersatzpflichtig.
Das BAG (Az. 10 AZR 596/15) entschied letztinstanzlich, dass ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer nicht zum Personalgespräch im Betrieb erscheinen muss. Er habe die Pflicht während seiner Arbeitszeit an einem Personalgespräch teilzunehmen. Diese Arbeitspflicht bestehe aber nicht im Krankheitsfall. Der Arbeitgeber darf zwar während der Arbeitsunfähigkeit Kontakt mit dem Arbeitnehmer aufnehmen, etwa um zu besprechen, wie es nach der Krankheit weitergeht, aber nur wenn ein berechtigtes Interesse gegeben ist. Ein Erscheinen des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers im Betrieb kann der Arbeitgeber nicht verlangen.
Darf ich trotz Arbeitsunfähigkeit in Urlaub fahren?
Krankgeschriebene Arbeitnehmer haben die Pflicht alles zu unternehmen, um bald wieder ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen zu können. Trägt ein Urlaub etwa nach Ansicht eines Arztes zur Genesung bei, spricht eine Arbeitsunfähigkeit nicht dagegen. Der Urlaub darf allerdings eine Genesung nicht negativ beeinflussen.
erstmals veröffentlicht am 01.06.2015, letzte Aktualisierung am 19.01.2024
Lesen Sie hier weitere Fachartikel im Themenbereich Arbeitsrecht
Hier finden Sie bundesweit Rechtsanwälte für Arbeitsrecht