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Kategorie: Anwalt Arztrecht ,
12.03.2012 (Lesedauer ca. 3 Minuten, 5254 mal gelesen)
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Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich durch die Krankenkasse

Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich durch die Krankenkasse Rechtsanwältin Tanja Wessels

Hilfsmittel können durch verschiedene Sozialversicherungs- bzw. Sozialleistungsträger gewährt werden. Die Krankenkassen sind für die Versorgung mit Hilfsmitteln zuständig, wenn sie erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.

Bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich unterscheidet man solche, die dem unmittelbarem Ausgleich dienen, also die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion ersetzen, und solchen, die dem mittelbaren Ausgleich dienen. Unmittelbarer Behinderungsausgleich erfolgt beispielsweise durch Hörgeräte, eine Brille oder "Körperersatzstücke", z.B. Prothesen. Der mittelbare Ausgleich betrifft dagegen die Folgen, die die Behinderung mit sich bringt. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich geht es um den möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits.

Es soll ein Gleichziehen mit einem nicht behinderten Menschen erreicht werden. Dabei ist auch der aktuelle Stand des medizinischen und technischen Fortschritts zu berücksichtigen, es besteht ein Anspruch auf Versorgung mit einem "aktuellen Modell". Beim mittelbaren Behinderungsausgleich sollen dagegen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden. Ein Anspruch auf die Versorgung mit einem Hilfsmittel besteht nur, wenn der Behinderungsausgleich ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft . Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gehören dazu das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Hier besteht jedoch kein Anspruch auf ein vollständiges Gleichziehen mit einem nicht behinderten Menschen, sondern nur auf einen "Basisausgleich". Um mittelbaren Behinderungsausgleich geht es beispielsweise auch, wenn ein beeinträchtigter Sinn durch die Nutzung eines anderen, intakten Sinns ersetzt wird.
Die Kosten für ein Hilfsmittel sind nicht schon dann von der Krankenkasse zu übernehmen, wenn ein solches ärztlich verordnet wurde, oder weil es in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen wurde. Die Krankenkasse prüft in jedem Einzelfall, ob das Hilfsmittel tatsächlich erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kommt es für die Versorgung mit einem Hilfsmittel nicht darauf an, ob es im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist, das Verzeichnis hat lediglich eine Indizwirkung. In seiner Entscheidung vom 10.03.2011 - B 3 KR 9/10 R - hat das BSG entschieden, dass ein Barcodelesegerät ("EinkaufsFuchs") für erblindete und hochgradig sehbehinderte Versicherte ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung sein kann, weil es dem Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens dienen kann. Das Barcodelsesgerät ist ein elektronisches Produkterkennungssystem mit Sprachausgabe. Es dient dazu, dass in Strichcodes verschlüsselte Produktdaten von handelsüblichen Waren über die Sprachausgabe für sehbehinderte Menschen hörbar gemacht werden.

In einer weiteren Entscheidung vom 18.05.2011 - B 3 KR 7/10 R - hat das BSG entschieden, dass ein Rollstuhl-Bike dem mittelbaren Behinderungsausgleich dient, weil damit nicht das Gehen selbst ermöglicht wird, sondern die Folgen der beeinträchtigten Körperfunktion ausgeglichen wird. Ein Anspruch auf Versorgung besteht daher nur, wenn die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist. Im hier entschiedenen Fall ging es um die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Dieses Grundbedürfnis umfasst die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt, um Einkäufe zu tätigen, Nachbarn zu besuchen oder Ärzte und Therapeuten aufzusuchen.

Anders als im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung (Wegefähigkeit) und beim Nachteilsausgleich mit dem Merkzeichen "G" wird im Bereich der Krankenversicherung keine feste Wegstrecke zugrunde gelegt. Bei der Bestimmung des Nahbereichs muss räumlich ein Bezug zur Wohnung und sachlich ein Bezug zum Grundbedürfnis der selbständigen Lebensführung gegeben sein. Ein Rollstuhl-Bike ermöglicht zwar grundsätzlich eine dem Radfahren vergleichbare Mobilität, die sich gerade nicht mehr auf den Nahbereich beschränkt, so dass u.U. die Versorgung mit einem Rollstuhl ausreichend sein kann. Hier war die Klägerin bereits mit einem Aktivrollstuhl versorgt. Aufgrund der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, benötigte sie aber schon nach kurzer Zeit erhebliche Pausen und bei weiterer Fortbewegung mit dem Aktivrollstuhl war davon auszugehen, dass die Beschwerden der Klägerin zunehmen würden. Deshalb war sie mit einem Rollstuhl-Bike zu versorgen.


von Tanja Wessels

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