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Kategorie: Anwalt Versicherungsrecht ,
06.05.2024 (Lesedauer ca. 5 Minuten, 55881 mal gelesen)
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Sturz auf Gehweg - Wann haftet die Kommune?

Sturz auf Gehweg - Wann haftet die Kommune? © Angelika Bentin - Fotolia

Ein lockerer Bordstein, eine unebene Gehwegplatte oder Versorgungsleitungen, die den Gehweg passieren – für Passanten drohen auf Gehwegen viele Stolperfallen. Wer ist für die Sicherheit auf Gehwegen verantwortlich? Wie oft müssen Gehwege auf Schäden und Gefahrenquellen kontrolliert werden? Und wann haftet die Kommune bei einem Sturz auf dem Gehweg?

Wer ist für die Sicherheit von Gehwegen verantwortlich?


Die Verkehrssicherungspflicht für Gehwege trägt der Straßenbaulastträger, somit die Kommune. Sie hat die Pflicht alle ihr zumutbaren und notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit es auf einem Gehweg nicht zu Unfällen kommt. Dabei ist die Kommune nicht verpflichtet jede abstrakte Gefahr zu verhindern, sondern nur solche Gefahren, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung eines verständigen Menschen erforderlich sind, um andere vor Unfällen und Schäden zu schützen.

Die Kommune muss daher nicht für eine absolute Sicherheit auf allen Gehwegen sorgen und bei jedem Sturz eines Passanten haften. Für die Frage, ob sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, ist unter anderem entscheidend, ob die Gefahrenquelle für den Fußgänger erkennbar und wie hoch der Niveauunterschied zwischen Gehplatten oder Bordsteinkante war.

Der Bundesgerichtshof (Az. III ZR 240/11) stellt aber klar, dass eine Kommune für den Sturz einer Fußgängerin auf einem stark verwitterten und verfallenen, unebenen Gehweg haftet. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass eine Instandhaltung des Gehwegs aufgrund enger finanzieller Verhältnisse nicht möglich ist.

Wie oft muss die Kommune Gehwege auf Schäden kontrollieren?


Kann die Kommune nachweisen, dass sie ihrer Kontrollpflicht in angemessenen Zeitabständen nachgekommen ist, scheidet eine Haftung für einen Sturz eines Fußgängers aus, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Az.11 U 72/19) und stellt klar, dass Gehwege nicht ständig völlig frei von Gefahrenstellen sein können. Kommunen sind verpflichtet Gehwege zu kontrollieren und bei Schäden entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Eine wöchentliche Kontrolle reicht nach Ansicht des Gerichts aus. Kommt es trotzdem zu einem Fußgängersturz, haftet die Kommune nicht.

Laut einer Entscheidung des OLG Saarbrücken (Az. 4 U 146/16) erfüllt die Kommune ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn sie einmal im Monat die Gehwege kontrolliert.

Haftet die Kommune auch für einen Sturz bei erkennbaren Gefahrenstellen auf dem Gehweg?


Trägt ein Passant eine Getränkekiste vor sich und erkennt deshalb Unebenheiten auf einem Bürgersteig nicht und stürzt, haftet dafür nicht die Kommune, entschied das OLG Köln (Az.7 U 298/19). Hätte der Passant den Gehweg im Blick behalten, wäre ihm die Gefahrenstelle aufgefallen und der Unfall hätte vermieden werden können.

Die Kommune haftet auch nicht für den Sturz einer Fußgängerin über einen gut erkennbar lockeren Bordstein, entschied das Landgericht (LG) Coburg (Az. 22 O 458/13).

Wer nachts joggen geht, muss besonders auf Unebenheiten auf dem Gehweg achten, stellt das OLG Saarbrücken (Az. 1 U 31/15) klar und weist die Klage eines gestürzten Joggers über eine trotz Dunkelheit gut erkennbare Unebenheit ab.

Auf älteren abgelegenen Gehwegen müssen Passanten selbst aufmerksam auf Unebenheiten achten. Eine 3 cm hohe Bodenverwerfung aufgrund von Baumwurzeln ist für einen Fußgänger gut erkennbar. Stürzt er trotzdem, löst dies keine Haftung des Straßenbaulastträgers aus, entschied das OLG Brandenburg (Az. 2 U 29/08).

Kommt ein Passant zu Fall, weil ein Bordstein am Gehweg fehlt, führt das nicht zu einer Haftung der Kommune, entschied das OLG Saarbrücken (Az. 4 U 110/14). Im Bordsteinbereich muss ein Fußgänger laut Gericht besonders aufmerksam sein.

Stürzt ein Passant über eine 3 cm hohe Asphaltkante, die nach einer Reparatur des Gehweges entstanden ist, und vor der nicht mit einem Schild gewarnt wurde, löst das eine Haftung aus, so das OLG Stuttgart (Az. 2 U 437/19).

Eine Haftung der Kommune für einen Sturz eines Fahrradfahrers aufgrund einer 10 Zentimeter hohen und 30 Zentimeter breiten Teererhöhung scheidet laut LG Köln (Az. 5 O 16/23) aus, da der Fahrradfahrer das Hindernis gut erkennen hätte können, wenn er mit einer angepassten Geschwindigkeit unterwegs gewesen wäre.

Auch der Sturz eines Fahrradfahrers über eine Bodenschwelle ist laut LG Köln (Az. 5 O 86/21) kein Haftungsfall der Kommune, weil Fahrradfahrer ihre Geschwindigkeit so anpassen müssen, dass sie Hindernissen auf der Straße ausweichen können. Kein Schadensersatz für Radrennfahrer nach Sturz über Bodenschwelle.

Ist Streugut auf einem Gehweg ausgebracht, muss das nicht sofort wieder aufgefegt werden, wenn die Gefahr durch Schnee und Glatteis vorbei ist. Stürzt ein Fahrradfahrer aufgrund des Streuguts, löst das keine Haftung aus, so das OLG Schleswig-Holstein (Az. 7 U 25/19).

Trennt die Kommune einen Gehweg mit einer gut erkennbaren Kette zwischen zwei Metallpfosten von einer stark befahrenen Verkehrsstraße ab, haftet sie nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg (Az. 4 U 47/20) nicht für den Sturz eines achtjährigen Kindes, das diese Kette übersah. Nach Auffassung des Gerichts war die Kette für das Kind bei gebotener Aufmerksamkeit nicht zu übersehen.

Aber: Stolpert ein Passant auf einem Gehweg über einen verrutschten Schachtdeckel, haftet für diesen Unfall die Kommune, wenn sie nicht nachweisen kann, dass der Schachtdeckel durch einen Dritten bewegt wurde, so das OLG Saarbrücken (Az. 4 U 21/20).

Für den Sturz eines Passanten auf einer Treppe zum Strand muss die Kommune nicht haften, weil an die Rutschfestigkeit einer Treppe zum Meer nicht dieselben Anforderungen gestellt werden dürfen, wie an andere Treppen, so das Schleswig-Holsteinischen OLG (Az. 11 U 31/21).

Wann haftet die Kommune bei einem Sturz aufgrund hochstehender Gehwegplatten?


Beträgt der Niveauunterschied zwischen zwei Waschbetonplatten auf einem Gehweg rund 1,5 cm führt dies nicht zu einer Amtshaftung der Kommune, wenn ein Fußgänger deshalb stürzt, entschied das LG Coburg (Az.41 O 271/13). Ein Fußgänger muss auf Gehwegen mit Bodenunebenheiten von bis zu 2,5 cm rechnen und entsprechende Umsicht walten lassen.

Ebenso entschied das LG Magdeburg (Az. 10 O22/11) im Fall einer Fußgängerin, die auf einem Gehweg über einen 1 cm hohen Rohrstumpf stolperte und fiel. Bei dem Sturz hat sich laut Gericht ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, was nicht ausgeschaltet werden kann.

Das LG Osnabrück (Az. 5 O 3922/04) wies die Schmerzensgeldklage einer Fußgängerin, die über eine 5 cm hochstehende Gehwegplatte stürzte ab. Auch wenn die Kommune verpflichtet sei Niveauunterschied von mehr als 2 cm auszubessern, scheide hier eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aus, da die hervorstehende Gehwegplatte für die Passantin gut erkennbar und damit ein Unfall bei der notwendigen Umsicht vermeidbar war.

Bei einem Niveauunterschied von 5 bis 7 cm zwischen den Gehwegplatten und einer schlechten Beleuchtung, haftet die Kommune im Falle eines Sturzes, entschied das OLG Dresden (Az. 1 U 98/18), da der Gehweg ansonsten einen ordentlichen Eindruck machte, so dass ein Fußgänger nicht von derartigen Unebenheiten ausgehen musste. Die betroffene Kommune muss dem gestürzten Fußgänger 10.000 Euro Schadensersatz zahlen.

Muss die Kommune bei Wochenmärkten und Fußgängerzonen auf Stolpergefahren hinweisen?


Bei einem Wochenmarkt in einer Fußgängerzone ist die Kommune verpflichtet Passanten auf Stufen hinzuweisen, unterlässt sie das, haftet sie auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, so das OLG Celle (Az. 8 U 123/17).

Nach einer Entscheidung des OLGs Hamm (Az. 9 U 43/04) haftet die Kommune auch für eine Stolperfalle in Form einer 1,7 cm hohen Kante auf einem Marktplatz und muss der gestürzten Passantin Schadensersatz zahlen.

Die Kommune haftet ebenfalls bei einem Sturz eines Fußgängers über hervorstehende Bodenhülsen in einem geteerten Weg, entschied das Landgericht Coburg (Az. 22 O 588/08) und sprach der gestürzten Passantin 2.400 Euro Schadensersatz zu.

Stürzt eine Passantin in einer Fußgängerzone auf einer regennassen Messingplatte, muss die Kommune für Schadensersatz und Schmerzensgeld aufkommen, entschied das Schleswig-Holsteinisches OLG (Az.11 U 167/13). Bei einer bekannten Rutschgefahr bestehe für die Kommune bei Regenwetter eine gesteigerte Verkehrssicherungspflicht.

Stolpert eine Passantin über ein Stromkabel auf einem Gehweg, dass ein Fahrgeschäft auf einer Kirmes mit Strom versorgt, hat sie einen Anspruch auf Schadensersatz, entschied das OLG Hamm (Az. 9 U 114/14). Passanten müssen auf Gefahrenstellen hingewiesen und freiliegende Versorgungsleitungen müssen abgedeckt werden. Nach einer Entscheidung des OLG Naumburg (Az. 10 O 2047/10) genügt dafür eine graue Kunststoffabdeckung.

Ist eine Kabelbrücke auf dem Boden gut für Passanten erkennbar, muss sie nicht nochmal besonders gekennzeichnet werden, entschied das LG Magdeburg (Az. 10 O 313/23).

erstmals veröffentlicht am 18.03.2014, letzte Aktualisierung am 06.05.2024

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