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Kategorie: Anwalt Familienrecht ,
15.07.2024 (Lesedauer ca. 4 Minuten, 3493 mal gelesen)
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Versorgungsehe: Witwenrente auch bei kurzer Ehedauer?

Miniaturfiguren altes Ehepaar Symbolbild Grundrente Miniaturfiguren altes Ehepaar Symbolbild Grundrente © freepik - mko

Hinterbliebene Ehepartner haben einen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe lange genug bestanden hat, ansonsten drängt sich der Verdacht einer sog. Versorgungsehe auf. In diesem Fall steht dem hinterbliebenen Ehepartner keine Witwenrente zu. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Witwenrente zu erhalten? Was versteht man unter einer kleinen und großen Witwenrente? Wann wird eine Versorgungsehe vermutet? Und in welchen Fällen haben Hinterbliebene trotz kurzer Ehedauer einen Anspruch auf Witwenrente?

Unter welchen Voraussetzungen erhalte ich Witwenrente?


In Deutschland haben Hinterbliebene unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente. Diese Voraussetzungen sind im Sozialgesetzbuch (SGB) VI geregelt. Danach muss die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes des Partners gültig gewesen sein. Die Ehe oder Lebenspartnerschaft muss mindestens ein Jahr bestanden haben, es sei denn, der Tod des Ehepartners war unvorhersehbar, zum Beispiel ein Unfalltod. Der verstorbene Ehepartner muss die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt haben. Diese Zeit kann auch durch bestimmte Ersatzzeiten, wie z.B. Kindererziehungszeiten, erfüllt werden.

Was versteht man unter großer und kleiner Witwenrente?


Es gibt zwei Arten von Witwenrente: Die sog. große Witwenrente erhält man, wenn die Witwe oder der Witwer mindestens 47 Jahre alt ist oder ein minderjähriges Kind erzieht oder erwerbsgemindert ist. Die große Witwenrente beträgt 55 % der vollen Rente des verstorbenen Partners. Die große Witwenrente wird unbegrenzt gezahlt.

Die sog. kleine Witwenrente beträgt 25 % der vollen Rente des verstorbenen Partners und wird höchstens für zwei Jahre gezahlt.

Wann wird eine Versorgungsehe vermutet, bei der kein Anspruch auf Witwenrente besteht?


Um Witwenrente beziehen zu können, muss die Ehe mindestens ein Jahr bestanden haben. Bei kürzeren Ehen besteht die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe, mit der Folge, dass kein Anspruch auf Witwenrente besteht.

So lehnte das Hessische LSG (Az. L 2 R 220/06) den Anspruch auf Witwenrente im Fall einer Witwe, die ihren Mann einen Monat vor seinem Tod heiratet ab. Laut der Hinterbliebenen bestanden bereits seit längerer Zeit Hochzeitspläne und mit dem Entschluss zu heiraten, habe sie sich mehr Rechte bei medizinischen Entscheidungen versprochen. Das überzeugte das Gericht nicht. Nur Umstände, wie ein plötzlicher Unfall oder ein Verbrechen, seien geeignet den Anschein einer Versorgungsehe zu widerlegen.

War die schwere Krankheit oder eingeschränkte Lebenserwartung beim verstorbenen Ehepartner bei der Eheschließung bekannt, gelingt es den Hinterbliebenen bei einer Ehe von weniger als einem Jahr in der Regel nicht eine Versorgungsehe zu widerlegen. So im Fall einer Witwe, der die schwere Krankheit und kurze Lebenserwartung ihres Mannes bei der Hochzeit bekannt war und deren Ehe nur wenige Monate dauert. Das SG Stuttgart (Az. S 23 R 487/20) lehnte einen Rentenanspruch ab.

So entschied auch das Hessische LSG (Az. L 2 R 140/13) im Fall eines Witwers, der seine Frau heiratete, als man ihr eine Lebenserwartung von weniger als einem Jahr diagnostizierte. Die Ehe dauerte nur sieben Monate.

Oder im Fall eines geschiedenen Paares, das nach der Krebsdiagnose des Mannes erneut heiratete. Laut Hessischem LSG (Az. L 5 R 51/17) kam der Tod des Mannes nicht überraschend. Mit der erneuten Eheschließung habe das Paar die Ehefrau finanziell absichern wollen.

In welchen Fällen wird auch trotz kurzer Ehedauer Witwenrente gezahlt?


Es gibt Ausnahmen, wonach ein Anspruch auf eine Witwenrente auch bei kürzeren Ehen besteht. Bei Ehen, die kürzer als ein Jahr vor dem Tod des Ehepartners geschlossen wurden, muss der Hinterbliebene gegenüber der Rentenversicherung glaubhaft eine Versorgungsehe zur finanziellen Absicherung widerlegen.

Dies gelang einer Witwe, deren Mann, während sie monatelang auf ihre für die Hochzeit erforderlichen Papiere aus der Ukraine warten musste, lebensbedrohlich erkrankte und es schließlich bei der Eheschließung absehbar war, dass er bald sterben wird. Laut Sozialgericht (SG) Berlin (Az. S 11 R 1839/16) steht der Witwe trotzdem eine Witwenrente zu. Die Frau konnte eine Versorgungsehe glaubhaft widerlegen, da sie von der schweren Erkrankung ihres Mannes nichts wusste, als beide sich entschlossen zu heiraten.

Ebenso konnte eine Witwe vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt (Az.3 RJ 126/05) die Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen, obwohl sie und ihr Mann nach jahrelangem Zusammenleben erst heirateten, als dieser an Krebs erkrankte. Die Witwe konnte glaubhaft darlegen, dass sie von der schweren Erkrankung ihres Mannes nichts wusste. Das Gericht sprach ihre die Rentenansprüche zu.

Auch die Witwe eines Polizeibeamten konnte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Az. 2 A 11261/12.OVG) überzeugen, dass die konkreten Heiratspläne schon lange vor dem Bekanntwerden der Erkrankung des Mannes vorlagen.

Ebenso entschied das SG Berlin (Az. S 4 R 618/21) im Fall eines Witwers, der seine krebskranke Frau mit einer Nothochzeit im Krankenhaus ehelichte. Die Frau verstarb drei Monate nach der Eheschließung. Trotzdem erhält der Witwer Witwenrente, weil die Hochzeitspläne des Paares schon vor der Krebsdiagnose sehr konkret waren.

Nicht jede Krebsdiagnose führt zum Ausschluss einer Witwenrente bei kurzer Ehedauer. Laut LSG Baden-Württemberg (Az. L 2 R 3931/18) spricht ein stabiler Gesundheitszustand bei einer Krebserkrankung gegen den Verdacht einer Versorgungsehe.

Wo muss ich Witwenrente beantragen?


Witwenrente erhält der hinterbliebene Ehepartner nicht automatisch. Sie muss bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden. Witwenrente wird rückwirkend 12 Monate ab Antragstellung gezahlt.

Wie viel Witwenrente steht mir zu?


Hinterbliebene erhalten in den ersten drei Monaten nach dem Tod des Ehepartners die volle gesetzliche Rente des Verstorbenen. Danach stehen ihnen 55 Prozent der Rente des verstorbenen Ehepartners zu. Das Einkommen des Hinterbliebenen wird bei der Witwenrente angerechnet, es gibt allerdings Freibeträge.

Wird mein eigenes Einkommen bei der Witwenrente angerechnet?


Eigene Einkünfte der Witwe oder des Witwers werden auf die Witwenrente angerechnet, es gibt allerdings Freibeträge, die nicht angerechnet werden. Einkommen, das über diesen Freibetrag hinausgeht, wird zu 40 % auf die Witwenrente angerechnet.

Erlischt mein Anspruch auf Witwenrente bei Wiederverheiratung?


Ja, bei einer Wiederverheiratung erlischt der Anspruch auf die Witwenrente. Stattdessen kann eine sogenannte „Abfindung“ gezahlt werden, die das 24-fache der letzten monatlichen Witwenrente beträgt.

Gut zu wissen: Scheitert die neue Ehe, kann die Witwenrente erneut beantragt und bezogen werden.


erstmals veröffentlicht am 12.12.2013, letzte Aktualisierung am 15.07.2024

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