Unfall, Diebstahl, Helmpflicht, Alkohol – Was Fahrradfahrer wissen sollen!
Über 70 Prozent aller Deutschen nutzen in ihrer Freizeit oder für den Weg zur Arbeit regelmäßig das Fahrrad. Doch wer haftet bei einem Unfall von oder mit einem Fahrradfahrer? Gibt es für Radfahrer eine Helmpflicht? Was ist beim Diebstahl des Fahrrads zu beachten? Und welche Strafen drohen Fahrradfahrern bei Alkohol am Lenker?
Wer haftet bei einem Fahrradunfall?
Immer wieder kommt es im Straßenverkehr zu Unfällen von und mit Fahrradfahrern und es stellt sich schnell die Frage nach der Haftung. Die ist abhängig davon, wer für den Unfall die meiste Verantwortung trägt.
Verstößt ein Fahrradfahrer gravierend gegen ihm obliegende Sorgfaltspflichten, droht ihm die alleinige Haftung für einen Unfall mit einem Auto. Wiegt das pflichtwidrige Verhalten schwer, tritt die Betriebsgefahr des Autofahrers vollständig dahinter zurück. Dies stellte das Amtsgericht (AG) München (Az. 345 C 23506/12) im Fall einer verunglückten Fahrradfahrerin fest, die die Gegenfahrbahn mit Absicht ein kurzes Stück befuhr, um eine in einer Kreuzung befindliche Verkehrsinsel zu umgehen.
Missachtet ein Fahrradfahrer die Vorfahrtsregel, so haftet er für den Unfall mit einem Auto alleine. Laut OLG Oldenburg (Az. 1 U 19/14) entfällt in diesem Fall auch der Haftungsanteil des Autofahrers aufgrund der Betriebsgefahr.
Fährt ein Radfahrer auf einer Busspur entgegen der Fahrtrichtung, trifft ihn bei einem Unfall die alleinige Schuld, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Az. 4 U 88/11).
Stellt ein Fahrradfahrer sein Rad in einen Fahrradständer, ohne es anzuketten, haftet er, wenn das Fahrrad umkippt und dabei ein Auto beschädigt, entschied das LG Köln (Az. 11 S 387/14).
Stürzt ein Radfahrer vom Fahrrad, weil er einem Auto ausweichen musste, haftet der Autofahrer für den Unfall – auch dann, wenn keine Berührung zwischen Auto und Fahrrad stattfand, so das OLG Frankfurt am Main (Az. 16 U 57/18). Aber das OLG Hamm (Az. 9 U 14/16) stellt klar, dass der Radfahrer bei einem berührungslosen Unfall beweisen muss, dass das Auto an seinem Sturz allein aufgrund seiner Betriebsgefahr schuld war.
Über den Zebrastreifen muss das Fahrrad geschoben werden. Fährt ein Radfahrer über den Zebrastreifen, muss er sich bei einem Unfall einen 50prozentige Mitschuld anrechnen lassen, so das Landgericht (LG) Frankenthal (Az. 2 S 193/10).
Gibt es einen Radweg, so muss der Fahrradfahrer ihn auch benutzen. Fährt er trotz intaktem Radweg auf der Straße und rutscht auf einer Ölspur aus, kann er kein Schmerzensgeld verlangen, entschied das OLG Frankfurt am Main (Az. 24 U 134/11).
Fährt ein Radfahrer auf einem Radweg entgegen der Fahrtrichtung, haftet er bei einem Unfall zu hundert Prozent, entschied das LG Berlin (Az. 41 O 41/11). Das OLG Hamm (Az. 9 U 173/16) lastet dem Radfahrer beim Fahren entgegen der Fahrtrichtung auf einem Radweg bei einem Unfall ein Mitverschulden von 1/3 an.
Fährt ein Erwachsener mit seinem Fahrrad verbotenerweise auf dem Gehweg, haftet er bei einem Unfall ebenfalls alleine, so das AG Hannover (Az. 562 C 13120/10). Nur Kinder dürfen auf dem Gehweg Fahrradfahren.
Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Fußgänger und einem Kind auf dem Fahrrad, weil es auf der falschen Gehwegseite fuhr, haftet das Kind für den Unfall alleine. Nach Auffassung des OLG Hamm (Az. 9 U 238/15) besteht keine Mitschuld des Fußgängers.
Stürzt ein Fahrradfahrer über eine auf dem Fahrradweg stehende Mülltonne, haftet die Müllentsorgungsfirma nicht für diesen Unfall. Laut dem LG Frankenthal (Az. 4 O 25/21) hätte der Fahrradfahrer der Mülltonne mit ausreichendem Abstand ausweichen können. Seine Schadensersatzklage wurde somit abgelehnt.
Besteht für Fahrradfahrer eine Helmpflicht?
Die Helmpflicht für Fahrradfahrer wird immer wieder diskutiert, aber noch besteht sie in Deutschland nicht. Wer also ohne Helm Fahrrad fährt muss mit keinem Bußgeld oder einer Strafe rechnen. Auch wenn Eltern ein Kind ohne Helm auf dem Fahrrad mitnehmen, kann ihnen im Falle eines Unfalls aufgrund der fehlenden Helmpflicht kein grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden, so das OLG Celle (Az. 14 U 179/07).
Der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. VI ZR 281/13) hat in einer Entscheidung klargestellt, dass ein Fahrradfahrer ohne Helm bei einem Unfall auch keine Mitschuld angelastet werden darf. Zum einen bestand zum Unfallzeitpunkt keine Helmpflicht und auch nicht das allgemeine Verkehrsbewusstsein, dass ein Fahrradhelm zum Schutz erforderlich und zumutbar ist.
Selbst bei der Trainingsfahrt eines Sport-Radfahrers besteht keine Helmpflicht, wenn er sich nicht erhöhten Risiken aussetzt, die über das hinausgehen, was jeden Alltags-Fahrradfahrer im Straßenverkehr treffen können, so das OLG Celle (Az. 14 U 113/13).
Im Ausland sollten sich Fahrradfahrer über das Bestehen einer Helmpflicht informieren. In Österreich gilt etwa Helmpflicht für Kinder bis 12 Jahren. Und in Spanien, Finnland und Neuseeland besteht generelle Fahrradhelmpflicht.
Was müssen Fahrradfahrer nach einem Diebstahl ihres Fahrrads tun?
Wer Opfer eines Fahrraddiebstahls geworden ist sollte sich wie folgt verhalten:
Fahrraddiebstahl bei der Polizei anzeigen
Wer den Diebstahl seines Fahrrads bemerkt, sollte dies umgehend bei der nächstgelegenen Polizeidienststelle anzeigen. Zur Aufklärung des Diebstahls helfen der Polizei folgende Informationen: die Fahrgestellnummer, ggfs. die Codierung des Fahrrads bei Polizei oder einem Fahrradklub, ein Foto des Fahrrads sowie die Rechnung des Fahrradkaufs.
Versicherungsschutz prüfen
Wer eine Fahrradversicherung abgeschlossen hat, erfährt zumindest einen finanziellen Ausgleich für den Fahrradverlust. Voraussetzung ist, dass die im Versicherungsvertrag festgelegten Bedingungen, wie z.B. ein sicheres Schloss, eingehalten wurden. Die Versicherung prüft bei der Schadensregulierung, ob eine Mitschuld gegeben ist. In diesem Fall muss sie den Diebstahlschaden entweder gar nicht oder nur teilweise ersetzen. Eine Mitschuld aus Fahrlässigkeit liegt regelmäßig vor, wenn das Fahrrad überhaupt nicht, oder mit einem als unsicher einzustufenden Schloss abgesperrt wurde.
Manchmal ist ein Fahrrad auch vom Schutz der Hausratversicherung umfasst. Hier gilt es zu prüfen, ob das Fahrrad mit in die Außenversicherung fällt.
Bei Problemen hilft ein Anwalt für Versicherungsrecht
Kommt es bei der Schadensregulierung nach einem Fahrraddiebstahl zu Problemen mit der Versicherung, sollten Sie schnell einen Anwalt für Versicherungsrecht kontaktieren. Er vertritt Ihre Interessen mit der notwendigen Fachkompetenz und hilft Ihnen Ihren finanziellen Ausgleich für das gestohlene Rad zu erhalten.
Welche Strafen drohen bei Fahrradfahren mit Alkohol?
Für Verkehrsteilnehmer, die einen über den Durst getrunken haben, ist auch das Fahrrad kein geeignetes Verkehrsmittel. Was vielen nicht klar ist, auch für Fahrradfahrer gibt es eine Promillegrenze. Die liegt in Deutschland bei 1,6 Promille. Ein Fahrradfahrer, der diese Grenze erreicht hat, ist nicht mehr in der Lage sein Fahrrad sicher im Straßenverkehr zu führen, dies stellte zuletzt das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße (Az. 1 K 48/20.NW) klar. Wer dies dennoch tut, riskiert neben einem Bußgeld, Punkten in der Flensburger Verkehrsdatei auch ein Fahrradfahrverbot und Kfz-Fahrverbot.
So kann laut Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (Az. 3 C 32.07) der Führerschein entzogen werden, wenn bei einem Fahrradfahrer eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr festgestellt wird, wenn die Gefahr besteht, dass durch den Alkoholmissbrauch auch zukünftig das Fahrzeug in einem fahruntüchtigen Zustand geführt wird.
Nach einer Entscheidung des VG Neustadt (Az. 3 L 357/06.NW) kann der Führerschein auch noch nach dreieinhalb Jahren nach der Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad entzogen werden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Az.11 CS 08.3428) urteilte: Wer betrunken auf einem Fahrrad erwischt wird, verliert nicht zwingend seinen Führerschein, wenn eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung ergibt, dass der Fahrer bewusst zwischen Alkoholkonsum und Inbetriebnahme des Autos trennt.
Weigert sich ein Fahrradfahrer einer angeordneten MPU Folge zu leisten, kann er mit einem Fahrrad-Fahrverbot belegt werden.
Ein Fahrradfahrverbot kann auch ausgesprochen werden, wenn der Fahrradfahrer mit 1,6 Promille am Lenker erwischt wurde, so das OVG Lüneburg (Az.12 ME 93/23).
Das BVerwG (Az. 3 C 5.20) weist in einer Entscheidung daraufhin, dass wenn die Frist für die Tilgung der strafgerichtlichen Ahndung der Trunkenheitsfahrt auf dem Fahrrad im Fahreignungsregister abgelaufen ist, kein Fahrrad-Fahrverbot erteilt werden darf, nur weil der Betroffene vor Ablauf der Tilgungsfrist kein gesondertes Fahreignungsgutachten vorgelegt hat. Die alleine rechtfertige nicht die Annahme einer fehlenden Radfahreignung, so das Gericht.
erstmals veröffentlicht am 06.03.2020, letzte Aktualisierung am 14.11.2023
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