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Kategorie: Anwalt Erbrecht , 03.05.2024 (Lesedauer ca. 4 Minuten, 448 mal gelesen)

Wie geht man als Erbe mit dem digitalen Nachlass um?

Wie geht man als Erbe mit dem digitalen Nachlass um? © freepik - mko

In unserer digitalisierten Welt hinterlässt man nicht nur physische Vermögenswerte, sondern auch digitale Spuren. Der digitale Nachlass eines Verstorbenen kann vielfältig sein und reicht von E-Mails und sozialen Medien bis hin zu Online-Bankkonten und digitalen Clouds. Wie ist der digitale Nachlass gesetzlich geregelt? Haben Erben einen Anspruch auf Zugang zum digitalen Nachlass? Und wie müssen Erben bei der Abwicklung des digitalen Nachlasses vorgehen?

Was versteht man unter einem digitalen Nachlass?


Alle E-Mails, Chats, Blogs oder Online-Bestellungen hinterlassen im Internet eine unüberschaubare Flut an Spuren. Wenn ein Mensch stirbt, werden diese Daten nicht automatisch gelöscht. Zurück bleibt der digitale Nachlass.

Dazu gehören etwa Websites, Domains, E-Mail-Accounts, Blogs, digitale Güter wie Softwarelizenzen oder EBooks, online Daten auf sozialen Netzwerken, Accounts von Online-Bezahldiensten und Online-Banking, Accounts von Online-Shopping-Plattformen, aber auch offline Dateien (Fotos, Dokumente) auf Computer und Handys.

Ist der Umgang mit dem digitalen Nachlass gesetzlich geregelt?


Das Erbrecht unterscheidet nicht zwischen analogem und digitalem Erbe. Das heißt, nicht nur der Computer gehört zur Erbmasse, sondern auch alle digitalen Daten, die der Erblasser im Internet hinterlassen hat. Eine E-Mail wird also genauso vererbt wie ein auf Papier niedergeschriebener Brief. Der digitale Nachlass wird mit allen Rechten und Pflichten vererbt.

Das digitale Erbe ist daher im Erbrecht nicht gesondert geregelt. Ganz verschiedene Rechtsgebiete können beim digitalen Nachlass betroffen sein, etwa das Datenschutzrecht, Urheberrecht oder Persönlichkeitsrecht.

Haben die Erben einen Anspruch auf Zugang zum digitalen Nachlass?


Meist regeln die Provider in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, was mit dem digitalen Nachlass eines Nutzers geschieht. Ein gesetzlicher Anspruch auf Zugang zu den Online-Accounts eines Verstorbenen existiert für die Erben nicht. Aber der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. III ZR 183/17) hat in einer Entscheidung klargestellt, dass die Eltern und damit die Erben einer verstorbenen Minderjährigen einen Anspruch auf die Zugangsdaten zu deren Facebook-Account haben. Die erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge gilt laut Gericht auch für Verträge mit Providern. Der digitale Nachlass wird mit dem analogen Nachlass damit gleichgestellt. Die Erben erhalten die gleichen vertraglichen Ansprüche wie der verstorbene Nutzer. Es muss ihnen daher vom Provider Zugang zum Benutzerkonto und zu den Kommunikationsinhalten gewährt werden.

Im Anschluss an dieses Urteil ließ Facebook den Eltern der Verstorbenen einen USB-Stick zukommen, der eine PDF-Datei von mehr als 14.000 Seiten enthielt, angeblich eine Kopie der ausgelesenen Daten des Facebook-Accounts der Verstorbenen. Nach Ansicht der Eltern hat der Provider damit seine Pflicht aus dem vorangegangenen Urteil nicht erfüllt. So sah das auch der BGH (Az. III ZB 30/20) und er stellte in einer weiteren Entscheidung klar, dass die Erben eines verstorbenen Facebook-Nutzers ein Vollzugriff auf alle Inhalte des Facebook-Accounts gewährt werden muss. Es muss ihnen nicht nur der Zugang zum Benutzerkonto und den Kommunikationsinhalten gewährt werden, sondern sie müssen vom Provider die Möglichkeit erhalten, vom Account und seinen Inhalten auf dieselbe Art und Weise Kenntnis zu nehmen, wie es die Verstorbene als Kontoberechtigte möglich gewesen ist. Lediglich die aktive Nutzung des Facebook-Accounts kann den Erben vom Provider versagt werden. Mit dem Überlassen einer PDF-Datei hat der Provider den Erben keinen vollständigen Zugang zum Account der Verstorbenen verschafft. Zumal die PDF-Datei nicht das ganze Benutzerkonto abbilde.

Wie müssen Erben beim Abwickeln des digitalen Nachlasses vorgehen?


1. Sammeln Sie Informationen zum digitalen Nachlass


Der erste Schritt besteht darin, alle relevanten Informationen über den digitalen Nachlass des Verstorbenen zu sammeln. Dies kann E-Mail- und Social-Media-Konten, Online-Bankkonten, Abonnements, Dateien in der Cloud und digitale Sammlungen umfassen. Wichtige Hinweise wo der Verstorbene im Internet unterwegs war, geben Rechnungen und Verträge sowie Newsletter-Abos. Notieren Sie sich alle Daten, die für den Zugriff auf den digitalen Nachlass erforderlich sind, wie etwa Benutzernamen, Passwörter, Sicherheitsfragen und andere Zugangsdaten.

2. Verschaffen Sie sich Zugriff auf den digitalen Nachlass


Versuchen Sie, Zugriff auf die digitalen Accounts und Daten des Verstorbenen zu erhalten, um den digitalen Nachlass zu verwalten. Verfügt der Erbe nicht über die entsprechenden Passwörter für die Accounts, kann das bedeuten, dass Sie sich an die jeweiligen Dienstanbieter wenden müssen, um Zugangsdaten zurückzusetzen oder Zugriff zu erhalten. Es gibt in Deutschland keine einheitliche Rechtslage, wie Anbieter eines Online-Accounts nach dem Tod des Nutzers mit dessen hinterlassenen Daten umgehen müssen. Einige Dienstanbieter haben spezielle Verfahren für den Umgang mit Konten von Verstorbenen.

Das Löschen eines E-Mail-Accounts ist für die Erben aufwendig und kann lange dauern. Eine besondere Schwierigkeit stellen dabei sogenannte Freemail-Accounts dar, bei denen der Verstorbene unter einem Pseudonym angemeldet war. Hier müssen die Erben dem Diensteanbieter nachweisen, dass der Verstorbene mit seiner Identität hinter diesem Account steht.

3. Achten Sie auf Datensicherheit und Privatsphäre des Verstorbenen


Achten Sie darauf, die Datensicherheit und Privatsphäre des Verstorbenen zu respektieren, während Sie den digitalen Nachlass verwalten. Löschen Sie keine Daten oder Inhalte, ohne sich darüber im Klaren zu sein, ob der Verstorbene dies gewünscht hätte, und beachten Sie die geltenden Datenschutzgesetze.

Der digitale Nachlass kann wertvolle Erinnerungen und persönliche Informationen enthalten. Erwägen Sie, wichtige Daten zu sichern und zu bewahren, wie beispielsweise Fotos, Videos, E-Mails oder Tagebucheinträge, die für die Familie von sentimentalem Wert sein könnten.

4. Holen Sie sich im Zweifel den Rat eines Anwalts


Wenn Sie unsicher sind oder Fragen zum Umgang mit dem digitalen Nachlass haben, zögern Sie nicht, fachliche Unterstützung einzuholen. Ein Anwalt für Erbrecht, der sich auf digitale Nachlässe spezialisiert hat, wird Ihnen mit seiner Expertise und Erfahrung bei allen Fragen zur Seite stehen.

Wie können Erblasser ihren digitalen Nachlass zu Lebzeiten regeln?


Der digitale Nachlass kann in einem Testament geregelt werden. Entweder wird ein Erbe mit dem gesamten digitalen Erbe betraut oder mehrere Erben werden konkret für bestimmte Gebiete benannt, wie etwa einen Erben für Online-Banking und einen Erben für die Profile auf Social-Media-Accounts.

Wichtig ist, dass genau benannt wird, welche digitalen Daten gelöscht oder archiviert werden sollen. Ob und welches Profil in einen Gedenkzustand versetzt werden soll. Wo entsprechende Passwörter zu finden sind. Welche Verträge oder Abos mit Online-Dienstleistern bestehen und gekündigt werden müssen und wie mit dem digitalen Erben weiter verfahren werden soll.

Um den Erben im Todesfall schnell auf die notwendigen Passwörter Zugriff zu ermöglichen, empfiehlt es sich eine Liste mit allen Passwörtern und den dazugehörigen Accounts anzufertigen und diese sicher in einem Safe oder Bankschließfach aufzubewahren. Die Passwörter können auch im Testament aufgeführt werden, wenn dieses sicher vor jedem unbefugten Zugriff aufbewahrt wird.

Bei der Regelung des digitalen Nachlasses entstehen eine Reihe von Rechtsfragen, wie etwa wer Urheber eines Bildes ist oder ob auch digitale Güter wie Musikaufnahmen vererbt werden können. Ein Anwalt für Erbrecht hilft Ihnen Ihren digitalen Nachlass rechtssicher zu regeln. Nehmen Sie unverbindlich Kontakt auf und lassen Sie sich kompetent beraten.


erstmals veröffentlicht am 21.05.2020, letzte Aktualisierung am 03.05.2024

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